Jones, Susanna
Heutzutage ist es für Ausländer einfacher und noch einfacher für Lily, da sie mich hatte, die ihr helfen konnte.
Sie quasselte weiter.
«Andy wollte heiraten und ich auch, aber ich wollte nichts überstürzen, und ich dachte, wir sollten warten, bis wir mehr Geld zusammengespart haben. Er dachte, das bedeutete, dass ich mich mit einem anderen traf und nur Ausreden suchte, um die Hochzeit hinauszuschieben, und so wurde er immer eifersüchtiger. Muss man sich mal vorstellen, eifersüchtig auf einen Mann, den es gar nicht gab! Das wurde langsam peinlich, weil er anfing, alle möglichen Leute zu verdächtigen, ich meine, wie den Milchmann und so. Einmal ist er fast auf einen von seinen Freunden losgegangen, nur weil der mich auf der Straße gegrüßt hatte, und da hat's mir gereicht, und so hab ich ihn verlassen und bin bei einer Freundin eingezogen. Jedenfalls, er hat rausgekriegt, wo ich war, also bin ich zu ihrer Schwester gezogen und dann zu einer anderen Freundin, und zuletzt hat mir jemand gesagt, ich könnte hier Arbeit kriegen, und so war's dann auch. Tut mir Leid, langweile ich Sie mit dem Ganzen auch nicht?»
«Überhaupt nicht.» Ich sagte das nicht aus Höflichkeit, sondern weil es die reine Wahrheit war. Es wurde mir nicht langweilig, weil ich größtenteils weghörte. Ich war irgendwo in meinen eigenen Gedanken, während ihre Worte die Luft um uns gewissermaßen zutapezierten. Ich passte gerade eben genug auf, um später im Bedarfsfall zu wissen, wovon sie eigentlich redete.
«Und was ist mit Ihnen?» Sie sah mich an. «Haben Sie einen festen Freund?»
Ich konnte Teiji unmöglich die Erniedrigung einer so gewöhnlichen und banalen Bezeichnung antun. Andererseits war er wohl mein fester Freund. Wir gingen nicht direkt miteinander, aber ich konnte auch nicht behaupten, er sei nicht mein fester Freund. Liebhaber vielleicht. Aber was war ich für ihn? Ich wusste es nicht, und aus irgendeinem Grund war es mir unangenehm, darüber nachzudenken.
«Mm», sagte ich rasch und wechselte das Thema. «Hier die Straße runter gibt's mehrere Immobilienmakler.»
Ich riet Lily grundsätzlich zu einer Wohnung in der Nähe eines Bahnhofs und in einem höheren Stockwerk. Selbst in Japan kann eine allein wohnende Frau nicht vorsichtig genug sein. Aber Lily wollte etwas Ruhiges haben, weit weg von Bahnhöfen, und wenn irgend möglich im Erdgeschoss, weil sie sich dann eher wie in einem Haus als in einer Wohnung fühlen würde.
«Dann ist es zumindest etwas billiger», räumte ich ein.
Einzimmerwohnungen sehen in Tokio so ziemlich eine wie die andere aus. Alle, die wir uns ansahen, hatten einen blank polierten Holzfußboden und eine Größe von sechs Tatamis. Die Küche war stets klein, aber sauber und neu. Alle hatten einen schmalen Balkon und ein Fertigbad, eine einzige große Kunststoffzelle mit vorgeformten sanitären Einrichtungen. Manche Wohnungen waren älter als andere, manche lauter. Mir machte das Besichtigen Spaß. Lucy kann keine Wohnung betreten, egal ob bewohnt oder unbewohnt, ohne sich gleich selbst hineinzuprojizieren.
Bei einer ging der Balkon auf ein windschiefes altes Haus mit Blumentöpfen auf dem Dach der Garage und mehreren Katzen, die dazwischen herumlagen und schliefen. Ich überlegte mir, dass es vielleicht möglich wäre, auf das Dach hinunterzuklettern, ohne dass die Bewohner des Hauses etwas mitbekamen. An einem warmen Nachmittag wäre es ein guter Ort zum Faulenzen und zum Lesen.
Die nächste Wohnung war so dunkel, dass, selbst wenn man sämtliche Lampen einschaltete, ein unheimliches gelbes Zwielicht herrschte. Vom Balkon aus starrte man auf ein schmutzig graues Mietshaus. Als ich mich an das Geländer stellte, konnte ich durch die Fenster in die Wohnungen sehen. Ich spähte in eine Küche hinein.
Ein Mann mittleren Alters setzte gerade einen Topf auf den Herd. Er zündete das Gas an, stand da und starrte den Topf an. Eine Frau - vermutlich seine Ehefrau - kam herein, blieb mit dem Rücken zu ihm stehen und kramte in einem Schrank. Es sah so aus, als wüsste keiner von beiden von der Anwesenheit des anderen, aber das Zimmer war so klein, dass das gar nicht möglich war. Die Frau verschwand aus der Küche, und ich ging in die Wohnung zurück, wo Lily gerade das Badezimmer inspizierte. Die Zunge schaute ihr aus dem Mund, wie bei einem Kind, das konzentriert ein Bild malt.
«Was meinen Sie?», fragte ich.
«Man sitzt hier wie auf dem Präsentierteller und hat kein Tageslicht. Gehen
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