Jordan, Penny
auf das Papier.
Sie gehörte nicht zu den Frauen, die häufig zögerten, und Leute, die sie nur aus Erzählungen kannten, wunderten sich oft, wie klein sie war. Sie maß gerade einssechzig und besaß einen zarten, beinahe zerbrechlichen Körperbau. Allerdings merkte jeder bald, dass Pepper hart wie Stahl sein konnte.
Das war nicht immer so gewesen …
Pepper drehte den Kopf und blickte kurz aus dem Fenster. Sie besaß das klassische Profil einer ägyptischen Statue und ein ausgeprägtes Kinn. Ihre Augen standen ein wenig schräg und verliehen ihrem Gesicht etwas Geheimnisvolles.
Erneut betrachtete sie die Akten, dann legte sie sie zurück und verschloss die Schublade wieder. Ein Lächeln umspielte ihren Mund. Sie hatte lange warten müssen, aber nun würde das Spiel bald beginnen.
Das Telefon läutete, und sie nahm den Hörer ab.
„Lesley Evans ist am Apparat“, erklärte Miranda.
Die junge Eiskunstläuferin war erst seit Kurzem Peppers Kundin. Man rechnete damit, dass sie bei den nächsten Olympischen Spielen die Goldmedaille gewann. Pepper hatte sie vor über zwölf Monaten entdeckt und ihr Team angewiesen, sie weiterhin zu beobachten.
In Werbekreisen hieß es, dass Pepper Minesse die Gabe besäße, ihr Geld auf das richtige Pferd zu setzen. Außerdem unterstützte sie gern aussichtsreiche Außenseiter.
Pepper sagte nichts dazu. Es war gut fürs Geschäft, wenn die Presse sie für eine Art Prophetin hielt, auch wenn es nicht zutraf. Das Geheimnis, das sie umgab, verstärkte sich auf diese Weise. In Wirklichkeit gründeten sich ihre Entscheidungen auf sorgfältig zusammengetragene Tatsachen, gepaart mit einer gewissen Intuition, auf die sie sich inzwischen verlassen konnte.
Eine Firma war an die Eiskunstläuferin herangetreten und hatte ihr einen Werbevertrag für Sportkleidung von Teenagern angeboten. Pepper kannte die Firma sehr gut. Sie ging zielstrebig voran und band junge Stars mit Exklusivverträgen an sich. Schon die Tatsache, dass sie nicht über Minesse Management an Lesley Evans herangetreten war, sprach für sich.
Während des Nachmittags kamen noch eine ganze Reihe weiterer Telefonate hinzu. Peppers Kunden waren große Stars der Medien- und Sportwelt mit einem gewaltigen Selbstwertgefühl, und sie war bereit, deren Eitelkeit zu befriedigen – zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
Um fünf Uhr klopfte Miranda an die Tür und fragte, ob sie Schluss machen könne.
„Ja, gehen Sie … Ich werde auch nicht mehr lange bleiben. Der Empfang im ‚Grosvenor‘ beginnt um sieben.“
Pepper wartete bis Viertel nach fünf, bevor sie die Schreibtischschublade wieder aufschloss. Diesmal nahm sie die Ordner zügig heraus, ging ins Büro ihrer Sekretärin und setzte sich an deren elektrische Schreibmaschine. Miranda wäre richtig gekränkt gewesen, hätte sie mit angesehen, wie schnell und sauber Minesse schrieb. Sie zögerte keinen Moment, sondern wusste genau, was sie tat.
Vier Briefe, die sie auf dem schnellsten Weg herbringen würden.
In mancher Beziehung belustigte es Pepper, dass sie so viel vom Volk ihrer Mutter geerbt hatte und jenes tief verwurzelte Bedürfnis nach Vergeltung und Gerechtigkeit empfand … Nicht eine Gerechtigkeit in dem Sinn, den manche Leute darunter verstanden, aber immerhin.
Im Lauf der Jahre hatte Pepper die Fähigkeit entwickelt, neben sich zu treten und sich von außen zu beobachten.
Die vier Männer hatten ihr etwas genommen, was sie sehr geschätzt hatte. Deshalb war es nur gerecht, wenn jeder von ihnen nun das verlor, was ihm selbst am meisten bedeutete. Und dafür würde sie sorgen.
Pepper tippte die einzelnen Briefe sauber auf dem dicken Firmenpapier, faltete sie, steckte sie in Briefumschläge und versah sie mit Briefmarken, die sie extra zu diesem Zweck gekauft hatte – als Teil des Rituals.
Der Wachmann lächelte, als sie in den Frühsommersonnenschein hinaustrat. Sie war seine Chefin, und er achtete sie. Aber er war immer noch Mann genug, um einen bewundernden Blick auf ihre makellose Figur und ihre schlanken Beine zu werfen.
An der Ecke befand sich ein Briefkasten, dort warf Pepper die Briefe ein. Ihr Wagen, ein tiefdunkelroter Aston Martin Volante mit der Zulassungsnummer PSM 1, stand vor dem Gebäude. Pepper schloss ihn auf und schwang sich graziös auf den Fahrersitz. Das Lederpolster war cremefarben, der Sitz mit dem Dunkelrot der Karosserie eingefasst. Das cremefarbene Verdeck ließ sich elektrisch betätigen. Pepper startete den Motor und
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