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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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uns vertragen vor ihm – bist du’s zufrieden?«
    »Ich glaube: ja«, sagte Laban. »Denn ich sehe nichts anderes.«
    Da ging Jaakob hin und stellte einen schönen, langen Stein gerade auf, damit Gott zugegen sei; acht Männer aber mußten den Bundeshaufen zusammentragen aus allerlei Bergschutt und kleinem Geröll, und unter vier Augen aßen sie darauf ein Hammelgericht mit dem Fettschwanz inmitten der Schüssel. Aber Jaakob ließ Laban beinahe den ganzen Fettschwanz essen und kostete nur. So aßen sie miteinander, allein unter dem Himmel, und vertrugen sich über dem trennenden Haufen mit Blick und Hand. Zum Gegenstande des Eides machte Laban die Töchter, da er nicht recht wußte, was er sonst dazu machen sollte. Jaakob mußte schwören bei seiner Väter Gott und der Furcht Isaaks, daß er seine Weiber nicht wolle mißhandeln und keine andere nehmen außer ihnen – Haufe und Mahl sollten Zeuge sein. Es war aber dem Laban nicht so sehr um die Töchter; die schützte er vor aus Sehnsucht, in irgend leidlicher Form zu Ende zu kommen mit dem Gesegneten, damit er schlafen könnte.
    Er blieb noch auf dem Berge die Nacht mit den Seinen. Am Morgen umarmte er die Frauen, sprach auch einen letzten Spruch über ihnen und wandte sich heimwärts. Jaakob aber seufzte einmal erleichtert und einmal gleich hinterher aus neuer Besorgnis. Denn, sagt das Wort, ist der Mensch einem Löwen entronnen, so begegnet er gleich einem Bären. Und nun kam der Rote.
    Benoni
    Zwei Frauen waren schwanger in Jaakobs Reisezuge, als er nach den schweren Geschichten von Schekem hinabzog gen Beth-el und weiter von dort in Richtung auf Kirjath Arba und Isaaks Haus: zwei, die ins Licht der Ereignisse ragen, denn ob von den Weibern des Sklavengesindels, das man nicht unterscheidet, gerade noch mehrere schwanger waren, darüber kann man nichts aussagen. Schwanger war Dina, das unselige Kind; fruchtbar war sie von Sichem, dem Unseligen, und ein harter Beschluß hing über ihrer traurigen Fruchtbarkeit, so daß sie verhüllt ritt. Und schwanger war Rahel.
    Welche Freude! – Ach, mäßigt nur euren Jubel, erinnert euch und verstummt! Rahel starb. So wollte es Gott. Die liebliche Diebin, sie, die dem Jaakob am Brunnen entgegengetreten war, hervor aus der Mitte der Labanschafe mit kindlich tapferem Schauen, sie kam auf der Wanderung nieder und ertrug es nicht, da sie es schon das erstemal mit Not hatte ertragen können, verlor den Atem und starb. Die Tragödie Rahels, der Rechten und Liebsten, ist die Tragödie der nichtangenommenen Tapferkeit.
    Man hat fast den Mut nicht, mit Jaakobs Seele zu fühlen an dieser Stelle, da ihm die Herzensbraut auslöschte und hinging als Opfer für seinen Zwölften, – sich einzubilden, wie ihm der Verstand geschlagen war und wie tief in den Staub getreten die weiche Hoffart seines Gefühls. »Herr«, rief er, da er sie sterben sah, »was tust du?« Er hatte gut rufen. Das Gefährliche aber, und was uns im voraus ängstigt, war, daß Jaakob sich durch Rahels Zerstörung sein teures Gefühl, diese selbstherrliche Vorliebe durchaus nicht entreißen ließ, daß er sie keineswegs mit hinabsenkte in das rasch ausgehobene Grab am Wege, sondern sie, als wollte er dem Waltenden beweisen, daß er durch Grausamkeit nichts gewönne, in ihrem ganzen üppigen Eigensinn auf Rahels Erstgeborenen, den neunjährigen, bildschönen Joseph, warf, so daß er diesen denn also zwiefach und vollkommen übermütig liebte und so dem Schicksal eine neue furchtbare Blöße bot. Es ist zum Nachdenken, ob der Gefühlvolle eigentlich mit Bewußtsein Freiheit und Ruhe mißachtet, wissentlich das Verhängnis gegen sich aufruft und nicht anders als in Ängsten und unter dem Schwerte zu leben wünscht. Offenbar ist ein solcher vermessener Wille das Zubehör der Gefühlsseligkeit, denn daß diese große Leidensbereitschaft voraussetzt und es nichts Unvorsichtigeres gibt als die Liebe, sollte jedermann wissen. Der hier waltende Widerspruch der Natur ist eben nur der, daß es weiche Seelen sind, die dies Leben wählen, gar nicht geschaffen, zu tragen, was sie herausfordern, – während die, die es tragen könnten, nicht daran denken, ihr Herz bloßzustellen, so daß ihnen nichts geschehen kann.
    Rahel hatte zweiunddreißig Jahre gezählt, als sie unter heiligen Qualen den Joseph gebar, und siebenunddreißig, als Jaakob die staubigen Riegel brach und sie entführte. Sie zählte einundvierzig, als sie noch einmal in Hoffnung kam und so von Schekem auf Reisen

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