Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
denn nicht fürchten vor dir, daß du’s nicht zugeben würdest und würdest die Weiber, deine Töchter, von mir reißen, mindestens aber mir neue Bedingungen auferlegen für die Reiseerlaubnis und mir abnehmen mein Hab und Gut? Denn mein Oheim ist hart, und sein Gott ist das unerbittliche Wirtschaftsgesetz.«
»Und warum hast du mir meine Götter gestohlen?!« rief Laban plötzlich, und die Zornesadern schwollen zolldick auf seiner Stirn ...
Jaakob war sprachlos und sagte auch, daß er es sei. Im Grunde war seiner Seele leichter, da Laban sich durch eine so widersinnige Behauptung ins Unrecht setzte, – das war günstig für Jaakob.
»Götter?« wiederholte er staunend. »Die Teraphim? Ich soll dir deine Bilder entwandt haben aus dem Gelaß? Das ist das Stärkste und Lächerlichste, was mir je vorgekommen! Nimm doch deine Vernunft zu Hilfe, Mann, und überlege dir, was du mir vorwirfst! Welchen Wert und Belang sollen für mich denn deine Götzlein haben, die Irdenen, daß ich sollte daran zum Missetäter werden? Meines Wissens sind sie gedreht auf der Töpferscheibe und an der Sonne getrocknet, wie ander Gerät, und taugen mir nicht einmal, einem Sklavenkinde den Lauf der Nase zu stillen, wenn’s Schnupfen hat. Ich rede von mir, bei dir mag es etwas anderes sein. Aber da sie dir scheinen abhanden gekommen, so wär’ es nicht fein, ihre Tugend vor dir allzu hoch zu veranschlagen.«
Laban erwiderte:
»Das ist nur falsch und weise von dir, daß du tust, als gäbest du keinen Deut auf sie, damit ich glaube, du habest sie nicht gestohlen. Es kann kein Mensch den Teraphim so wenig Tugend beimessen, daß er sie nicht gerne stähle, das ist unmöglich. Und da sie nicht sind, wo sie waren, so bist du’s, der sie stahl.«
»Jetzt hör mich an!« sagte Jaakob. »Es ist sehr gut, daß du da bist und hast’s nicht für Raub gehalten, hinter mir drein zu ziehen so viele Tage um dieser Sache willen, denn sie muß geklärt werden bis aufs letzte, das verlange ich, der Beschuldigte. Mein Lager liegt dir offen. Gehe hindurch, wie du magst, und suche! Kehre alles um ohne Scheu und ganz nach Gefallen, ich gebe dir freieste Hand. Und bei wem du deine Götter findest, ob nun ich es sei oder der Meinen einer, der sei des Todes hier gleich vor aller Augen, und mir sei es gleich, ob du willst, daß es durchs Eisen, durchs Feuer oder durch Verscharren geschehe. Fange an bei mir und sei umsichtig! Ich bestehe auf genauester Untersuchung.«
Ihm war wohl, weil er alles auf die Teraphim abstellen konnte, so daß nur von diesen überall noch die Rede war und er groß und beleidigt dastehen würde am Ende der Untersuchung. Er ahnte nicht, wie schlüpfrig der Boden war unter seinen Füßen, und wie tödlich er sich vermaß. Daran war Rahel schuldig in ihrer Unschuld; aber mit größter Gewandtheit und Festigkeit kam sie auf für ihren Leichtsinn und den, den sie schuf.
Laban nämlich antwortete: »Wahrlich, so sei es!«, erhob sich eifervoll und fing an, das Lager abzusuchen, daß er seine Irdenen fände. Wir wissen genau die Reihenfolge, in der er vorging, – anfangs mit heftiger Gründlichkeit, dann aber, nach Stunden vergeblicher Mühe, langsam ermattend und verzagend; denn bei steigender Sonne ward ihm sehr heiß, und ob er auch ohne Obergewand suchte, im Hemde mit offener Brust und aufgestülpten Ärmeln, so troff ihm doch bald der Schweiß unter der Mütze hervor, und war sein Gesicht so rot, daß man hätte den Schlagfluß befürchten mögen für den schweren Alten – alles von wegen der Teraphim! Hatte denn Rahel kein Herz für ihn, daß sie ihn so sich quälen ließ und ihn so festen Auges zum besten hielt? Aber man muß die Übertragungs- und Einflüsterungskräfte bedenken, die von Jaakobs bedeutender Person und seinen geistlichen Vorstellungen ausgingen auf seine ganze Umgebung und besonders auf die, die ihn liebten. Durch seines Geistes Macht und Eigensinn spielte Rahel selbst eine heilige Rolle, nämlich die der Sternenjungfrau und Mutter des segenbringenden Himmelsknaben; desto geneigter also war sie, auch die übrige Welt und auch die Gestalt ihres Vaters in Jaakobs Lichte zu sehen und die gesetzliche Rolle anzuerkennen, die ihm darin beschieden war. Für sie, wie für den Geliebten, war Laban ein betrügerischer Teufel und Schwarzmonddämon, der letztlich selber betrogen wurde, und zwar in noch größerem Stil, als er selber betrogen hatte; und Rahel zuckte darum nicht mit den Wimpern dabei, weil es ein frommer,
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