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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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fallen.
    »Scheinbar?« erbitterte Jaakob sich da; denn seine Mühle hatte nun Oberwasser, groß stand er da und mochte den Mund voll nehmen ganz nach Gefallen. »Sagst du ›scheinbar‹ zu mir und willst es nicht als Beweis anerkennen meiner Unschuld, daß du das Deine nicht fandest, da du gesucht zehn Stunden lang und hast mir das Lager um und um gewühlt in deiner Wut mich zu töten oder einen von mir? All meinen Hausrat hast du betastet – mit meiner Erlaubnis, gewiß, ich hab’ dir’s freigestellt, aber daß du’s tatest, war dennoch sehr unfein. Und was hast du gefunden von dem Deinen? Lege es nieder hier und klage mich an vor deinem und meinem Volk, daß die öffentliche Stimme richte zwischen uns beiden! Wie du dich doch erhitzt und besudelt hast, nur um mich umzubringen! Und was habe ich dir getan? Ich war ein Jüngling, da ich zu dir kam, und bin nun würdigen Alters, wenn ich auch hoffe, daß der Einzige mir noch ein langes Leben beschert – so viel Zeit habe ich hingebracht in deinen Diensten und war dir ein Großknecht, wie die Welt ihn nicht sah, – das läßt der Zorn mich dir sagen, da ich’s sonst in mich verschloß aus Verschämtheit. Ich habe dir Wasser gefunden, daß du frei wurdest von Ischullanu’s Söhnen und abwerfen konntest das Bänkerjoch, und bist aufgeblüht wie die Rose im Tale Saron und in Frucht gestanden wie die Dattelpalme in der Tiefebene Jericho. Deine Ziegen haben zweifach geworfen und deine Schafe Zwillinge. Wenn ich je einen Widder deiner Herde gegessen habe, so schlage mich, denn Kräuter habe ich mir gerupft mit den Gazellen und mich mit dem Vieh versorgt an der Tränke. So habe ich gelebt für dich und dir gedient vierzehn Jahre um deine Töchter und sechs um nichts und wieder nichts und fünf um den Ausschuß deiner Herde. Am Tage bin ich vor Hitze verschmachtet und habe des Nachts gebebt vor Frost in der Steppe, und geschlafen habe ich überhaupt nicht vor Achtsamkeit. Wenn aber unglücklicherweise eine Berührung geschah in der Hürde, oder es mordete ein Löwe, so ließest du mich nicht schwören zu meiner Reinigung, sondern aufkommen mußte ich für den Ausfall, und tatest, als stähle ich Tag und Nacht. Und hast mir den Lohn verändert völlig nach Gutdünken und mir Lea untergeschoben, da ich glaubte, die Rechte zu umfangen, das wird mir in den Gliedern liegen mein Leben lang! Wäre der Gott meiner Väter nicht auf meiner Seite gewesen, Jahu, der Gewaltige, und hätte mir einiges zugewandt, so wäre ich, Gott behüte, ebenso nackend von dir gegangen, wie ich zu dir kam. Das aber hat Er denn doch nicht gewollt und hat seines Segens nicht spotten lassen. Niemals hat er zu einem Fremden gesprochen, aber zu dir hat er gesprochen um meinetwillen und dich gewiesen, mit mir nicht anders zu reden denn freundlich. Ja, das nenne ich freundlich reden, daß du kommst und brüllst, ich hätte dir deine Götter gestohlen; da du sie aber nicht findest, trotz maßlosen Suchens, so ist’s nur scheinbar!«
    Laban schwieg und seufzte.
    »Du bist so falsch und weise«, sagte er müde, »daß kein Aufkommen ist wider dich, und soll keiner anbinden mit dir, denn du setzest ihn so oder so ins Unrecht. Wenn ich mich umsehe, so ist mir’s als wie im Traum. Alles ist mein, was ich sehe, die Töchter, die Kinder, die Herden und Wagen und Tiere und Knechte sind mein, aber sie sind eingegangen in deine Hände, ich weiß nicht wie, und du ziehst damit hinweg von mir, das dünkt mich träumerisch. Siehe, mir ist versöhnlich zu Sinn, ich möchte mich vertragen mit dir und einen Bund mit dir machen, daß wir auseinanderkommen in Frieden und ich mich nicht verzehren muß all meine Lebtage um deinetwillen.«
    »Das läßt sich hören«, antwortete Jaakob, »und wenn du so sprichst, so lautet es anders als ›scheinbar‹ und dergleichen Kränkung. Es ist ganz nach meinem Sinn, was du sagst, denn siehe, du hast mir die Jungfrau gezeugt, des Sohnes Mutter, in der du schön worden bist, und nicht soll die Furcht Labans mir fremd sein, das wäre verwerflich. Einzig um dir den Abschied nicht schwer zu machen, bin ich in der Stille gezogen und habe das Meine fortgestohlen, aber es soll mir sehr lieb sein, wenn wir gütlich auseinanderkommen und auch ich fortan in Gemütsruhe deiner gedenken kann. Ich will einen Stein aufrichten – soll ich? Ich tue das mit Vergnügen. Und es sollen vier deiner Knechte und vier von meinen uns einen Steinhaufen machen zum Gelöbnismal, daß wir essen vor Gott und

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