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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sinniger und gesetzlicher Akt war, der sich vollzog und in dem auch Laban mit mehr oder weniger Bewußtsein und Zustimmung seine heilige Rolle spielte. Sie hatte so wenig Mitleid mit ihm, wie Jizchaks Hofvolk mit Esau gehabt hatte beim großen Jokus.
    Laban war nächtlich angelangt und hatte sich in der Frühe zu Jaakob begeben – zweifellos, um von ihm zu fordern, was sie hatte. Daß sich der Vater von der Unterredung erhoben und angefangen habe zu suchen, meldete ihr eine kleine Dienerin, die sie zum Spähen entsandt hatte und die, um schneller zu rennen, den Saum ihres Rockes zwischen die Zähne nahm, so daß sie vorne ganz bloß war beim Laufen. »Laban sucht!« rief sie flüsternd. Da sputete sich Rahel, nahm die Teraphim, die in ein Tuch gewickelt waren, und trug sie hinaus vor ihr schwärzliches Zelt, wo Lea’s Reitkamel und ihr eigenes angepflockt waren, erlesene Tiere von fratzenhafter Schönheit, mit urklugen Schlangenköpfen an ihren geschwungenen Hälsen und Füßen so breit wie Kissen, so daß sie im Sande nicht einsanken. Reichliche Streu hatten die Knechte ihnen untergetan, darauf lagen sie, hochmütig malmend. Unter die Streu aber schob Rahel ihr Gestohlenes, vergrub es ganz darin und setzte sich dann, wo sie es verwühlt hatte, obenauf, vor die Kamele, die ihr käuend über die Schultern schauten. So wartete sie auf Laban.
    Dieser, so wissen wir, hatte in Jaakobs Hütte zu suchen begonnen und von des Eidams Reisehausrat das Unterste zuoberst gekehrt, die Fußmatte gelüftet, die Matratze des Gurtbettes aufgehoben, Hemden, Mäntel und Wolldecken geschüttelt und die Kassette mit den Steinen zu Jaakobs Brettspiel »Böser Blick«, das er mit Rahel zu spielen liebte, zu Boden fallen lassen, so daß fünf Figuren zerbrachen. Von da hatte er sich mit wütendem Achselzucken in Lea’s Wohnung und in die Silpa’s und Bilha’s begeben und beim Stöbern keine Heimlichkeit der Weiber geschont, wobei er sich zitternd mit ihren Pinzetten gestochen und sich den Bart mit grüner Farbe beschmiert hatte, die sie brauchten, um sich die Augenwinkel länger zu malen; so ungeschickt war er vor Eifer und in dem dunklen Bewußtsein, daß es seine Rolle sei, sich lächerlich zu machen.
    Dann kam er dahin, wo Rahel saß, und sprach:
    »Gesundheit, mein Kind! Du hast nicht gedacht, mich zu sehen.«
    »Vollkommene Gesundheit!« antwortete Rahel. »Mein Herr sucht?«
    »Ich suche Gestohlenes«, sagte Laban, »durch all eure Hütten und Hürden hin.«
    »Ja, ja, wie schlimm!« nickte sie, und die beiden Kamele sahen ihr mit einem dünkelhaft hämischen Lächeln ihrer Gesichter über die Schultern. »Warum hilft Jaakob, unser Mann, dir nicht beim Suchen?«
    »Er würde nichts finden«, versetzte Laban. »Ich muß ganz alleine suchen und mich mühen in der steigenden Sonne zu Gilead auf dem Berge.«
    »Ja, ja, wie schlimm!« wiederholte sie. »Mein Hüttlein ist jenes. Sieh dich um darin, wenn du mußt und meinst. Aber sei vorsichtig mit meinen Töpfen und Löffeln! Schon ist dein Bart etwas grün!«
    Laban bückte sich und ging hinein. Bald kam er wieder heraus zu Rahel und den Tieren, seufzte und schwieg.
    »Ist nichts Gestohlenes dort?« fragte sie.
    »Nicht für mein Auge«, erwiderte er.
    »Dann muß es woanders sein«, sagte Rahel. »Gewiß wundert mein Herr sich längst, daß ich nicht aufstehe vor ihm nach Ehrfurcht und Schicklichkeit. Es ist nur, weil ich mich eben unmustern fühle, so daß ich behindert bin in meiner Bewegungsfreiheit.«
    »Wie denn unmustern?« wollte Laban wissen. »Ist dir heiß und kalt in abwechselnder Reihenfolge?«
    »Nicht doch, unpäßlich bin ich«, erwiderte sie.
    »Worin besteht es denn aber?« fragte er wieder. »Hast du den Zahnwurm oder eine Beule?«
    »Ach, lieber Herr, es geht mir nach Frauenart, ich erleide die Regel«, antwortete sie, und die Kamele lächelten überaus hämisch und dünkelhaft über ihren Schultern.
    »Weiter nichts?« sprach Laban, »nun, das zählt nicht. Es ist mir geradezu lieb, daß du die Regel hast, lieber, als wärest du schwanger. Denn zum Gebären taugst du nicht sonderlich. Gesundheit! Ich muß das Gestohlene suchen.«
    Damit ging er und suchte sich halb zuschanden bis in den Nachmittag, als die Sonne schon schräg fiel. Da kam er wieder zu Jaakob, schmutzig, erschöpft und aufgelöst und ließ seinen Kopf hängen.
    »Nun denn, wo waren die Götzen?« fragte Jaakob.
    »Scheinbar nirgends«, erwiderte jener, hob seine Arme und ließ sie

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