Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
unterscheidest, eines sich in dem andern spiegelt und alles in allem eine anziehende Zweideutigkeit um den Jüngling ist. Da man nun sah, daß er die Prüfung vor mir nicht übel bestand, gab man ihn mir zum Mundschenk und Vorleser, ohne mein Zutun, aus Liebe zu mir, wie es begreiflich, und ich gestehe, daß er mir unentbehrlich geworden ist in diesen Eigenschaften. Wiederum aber, ganz ohne mein Zutun, ist er zum Überblick aufgewachsen über die Geschäfte des Hauswesens, wobei sich buchstäblich gezeigt hat, daß zu allem, was er tut, der Verborgene Glück gibt durch ihn, – ich kann es nicht anders sagen. Da er nun aber unentbehrlich geworden mir und dem Hause, – was willst du, daß ich mit ihm mache?«
In der Tat, was war da noch zu wollen und zu machen, nachdem er ausgesprochen? Befriedigt sah er sich um und mit einem Lächeln nach dem, was er gesagt hatte. Er hatte sich stark gesichert, stark vorgebaut und die drohende Forderung im voraus zu einer Ungeheuerlichkeit gestempelt, zu einem Verstoß gegen die Liebe zu ihm, der denn doch wohl nicht denkbar war. Er vermutete nicht, daß die Frau dieser Bedeutung seiner Worte als Schutzwehr und Bollwerk kaum geachtet, sondern sie heimlich eingeschlürft hatte wie Honigwein, daß sie sich, immer noch in ihr Gewand gebückt, in tiefer, begieriger Spannung nichts von dem hatte entgehen lassen, was er zum Lobe Josephs gesagt. Das minderte sehr die verwarnende Wirkung ab, die den Worten zugedacht war, und es hinderte seltsamerweise nicht, daß Mut dem sittlich-vernünftigen Vorsatz, mit dem sie gekommen war, in aller Redlichkeit treu blieb. Sie richtete sich auf und sagte:
»Ich nehme an, mein Gemahl, daß du zugunsten des Knechtes das Äußerste vorgebracht hast, was nur mit einigem Fug dazu zu sagen. Nun denn, es genügt nicht, es ist hinfällig vor den Göttern Ägyptens, und was du mich hören zu lassen die Güte hattest von dieser und jener Verschränkung in deines Dieners Person und anziehenden Zweideutigkeiten, das kommt nicht auf gegen das Wünschbare und gegen die Forderung, die Amun eindeutig zu stellen hat durch meinen Mund. Denn auch ich bin ein Mund, nicht nur jener da, den du unentbehrlich nennst dir und dem Hause – mit offenkundigem Unbedacht; denn wie sollte ein aufgelesener Fremdling unentbehrlich sein im Lande der Menschen und in Peteprê's Haus, das ein Segenshaus war, ehe denn dieser Käufling darin zu wachsen begann? Nie hätte geschehen dürfen, daß er darin wuchs. War denn der Knabe gekauft, aufs Feld gehörte er und in die Fron, statt daß man ihn auf dem Hofe hielt und ihm gar deinen Becher vertraute sowie dein Ohr in der Bücherhalle, um einnehmender Gaben willen. Die Gaben sind nicht der Mensch; von ihnen muß man ihn unterscheiden. Desto schlimmer nur, wenn ein Niedriger Gaben hat, daß sie am Ende gar seine natürliche Niedrigkeit könnten vergessen lassen. Wo sind die Gaben, die die Erhöhung des Niedrigen rechtfertigten? Das hätte Mont-kaw sich fragen sollen, dein Meier, der ohne dein Zutun, wie ich höre, den Niedrigen wachsen ließ und ließ ihn ins Kraut schießen in deinem Hause zum Gram aller Frommen. Wirst du ihm gestatten, daß er noch im Tode den Göttern trotzt und mit dem Finger deutet auf den Chabiren als auf seinen Nachfolger, indem er dein Haus schändet vor aller Welt und dein landstämmiges Ingesinde erniedrigt unter die Hand des Niedrigen zu ihrem Zähneknirschen?«
»Meine Gute«, sagte der Kämmerer, »wie du dich täuschest! Du bist nicht wohlunterrichtet, nach deinen Worten zu urteilen, denn es ist nicht die Rede von Zähneknirschen. Mein Hausvolk liebt den Osarsiph von oben bis unten, vom Schreiber des Schenktisches bis zum Hundejungen und bis zur letzten von deinen Mägden und schämt sich im mindesten nicht, ihm zu gehorchen. Ich weiß nicht, woher dir die Kunde kommt, daß hier im Hause geknirscht wird ob seiner Größe, denn das ist ganz fälschlich gekündet. Vielmehr im Gegenteil suchen sie alle nach seinen Augen und wetteifern froh, unter ihnen das Ihre zu tun, wenn er zwischen ihnen hindurchgeht, und hängen freundlich an seinen Lippen, wenn er sie anweist. Ja, diejenigen sogar, die seinetwegen beiseitetreten mußten von ihren Ämtern, weil er sie antrat, sogar diese blicken nicht schief auf ihn, sondern gerade und voll, denn seine Gaben sind unwiderstehlich. Nämlich warum? Weil es sich ganz und gar nicht mit ihnen verhält, wie du sprachst, und du vorzüglich in diesem Punkt dich als falsch unterrichtet
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