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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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an mich, wie ich an dich denke? Aber wie würdest du erst an mich denken und daran, mir nahe beizuwohnen, wenn du wüßtest, welche Lust dich erwartet in den Armen der Himmelsgöttin, goldener Sonnenknabe! Laß mich es dir verkünden und dir verheißen an deinem Ohr, insgeheim vor der Welt, im tiefen Schatten, was dich erwartet! Denn nie hab’ ich geliebt und nie den Mann empfangen in meinem Schoß, habe nie auch nur das Geringste dahingegeben vom Schatz meiner Liebe und Wonne, sondern ganz nur dir ist aufbehalten dieser gesamte Schatz, und sollst überschwenglich reich davon sein, wie du’s dir nicht träumen läßt. Horch, was ich flüstere: Für dich, Osarsiph, hat sich mein Körper verändert und verwandelt und ist zum Liebesleibe geworden vom Wirbel bis zur Zehe, also daß du, wenn du mir nahe beiwohnst und mir deine Jugend und Herrlichkeit schenkst, nicht glauben wirst, einem irdischen Weibe nahe zu sein, sondern wirst, auf mein Wort, die Lust der Götter büßen mit der Mutter, Gattin und Schwester, denn siehe, ich bin’s! Ich bin das Öl, das nach deinem Salze verlangt, damit die Lampe erlodere im nächtlichen Fest! Ich bin die Flur, die nach dir ruft im Durste, mannheitwälzende Flut, Stier deiner Mutter, daß du schwellend über sie trittst und dich mir vermählst, ehe du mich verlässest, schöner Gott, und deinen Lotoskranz bei mir vergissest im feuchten Grunde! Höre, höre nur, was ich dir flüstere! Denn mit jedem meiner Worte ziehe ich dich tiefer in unser Geheimnis, das wir miteinander haben, und kannst schon längst nicht mehr daraus hervor, im tiefsten Geheimnis sind wir nun doch schon einmal mitsammen, so daß es gar keinen Sinn hat, daß du verweigerst, was ich dir nahelege ...«
    Joseph: »Doch, liebes Kind! – verzeih, ich nenne dich so, weil wir allerdings nun einmal im Geheimnis sind miteinander durch deine Verstörung, weshalb ich ja eben auch die Stube verschließen mußte, aber das behält seinen guten Sinn, seinen siebenfachen, daß ich dich abschlägig bescheiden muß wegen dessen, was du mir verlockend nahe legst, denn es ist sumpfiger Grund, wohin du mich locken willst und wo allenfalls taubes Schilf wuchert, aber kein Korn, und willst einen Esel des Ehebruchs aus mir machen, aus dir selbst aber eine schweifende Hündin, – wie soll ich dich da nicht schützen gegen dich selbst, mich aber verwahren gegen die schnöde Verwandlung? Überlegst du, wie uns geschähe, wenn uns unser Verbrechen erfaßte und käme auf unser Haupt? Soll ich’s drauf ankommen lassen, daß man dich erwürgt und deinen Liebesleib vorwirft den Hunden oder dir doch die Nase abschneidet? Das ist nicht auszudenken. Des Esels Teil aber wären unzählige Prügel, eintausend Stockschläge für seinen dummen Unanstand, wenn er nicht gar dem Krokodil überlassen würde. Diese Belehrungen drohten uns, wenn unsere Tat sich unser bemächtigte.«
    Die Frau: »Ach, feiger Knabe, ließest du dir träumen, welche aufgesammelte Lust dich erwartet nahe bei mir, du dächtest darüber nicht hinaus und lachtest etwaiger Strafen, die, wie immer bemessen, in gar keinem Verhältnis stünden zu dem, was du mit mir genossen!«
    »Ja, siehst du«, sagte er, »liebe Freundin, wie dich die Verstörung herabsetzt und dich vorübergehend erniedert unter des Menschen Rang; denn sein Vorzug und Ehrenmitgift ist gerade, daß er hinausdenke über den Augenblick und überlege, was danach kommt. Auch fürchte ich gar nicht ...«
    Sie standen mitten im verschatteten Zimmer dicht beisammen und redeten gedämpft, aber dringlich aufeinander ein wie Leute, die über etwas sehr Angelegenes debattieren, mit hochgezogenen Brauen und stark bewegten, geröteten Mienen.
    »Auch fürchte ich gar nicht«, war er im Zuge zu sagen, »die etwaigen Strafen für dich und mich, sie sind das geringste. Sondern ich fürchte Peteprê, unsern Herrn, ihn selbst und nicht seine Strafen, wie man Gott fürchtet nicht um des Bösen willen, das er einem zu tun vermag, sondern um seiner selbst willen, aus Gottesfurcht. Von ihm hab’ ich all mein Licht, und was ich bin im Hause und hierzulande, das dank’ ich alles ihm, – wie sollt’ ich mich da noch getrauen, vor ihn zu treten und in sein sanftes Auge zu blicken, selbst wenn ich gar keine Strafe von ihm zu fürchten hätte, nachdem ich dir beigelegen? Hör zu, Eni, und nimm, in Gottes Namen, deinen Verstand zusammen für das, was ich dir sagen will, denn meine Worte werden bestehen bleiben, und wenn unsre Geschichte

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