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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Vertehst du das nißt, mein Tleiner! Mal es dir doch nur aus, unser Glück, wie es sein wird, wenn gefällt und beseitigt der Schwamm und wir allein im Hause, du aber, in deiner Jugend, bist des Hauses Herr. Du bist es, weil ich die Herrin bin, denn wer bei der Herrin schläft, der ist der Herr. Und wir trinken Wonne bei Nacht, und auch am Tage ruhen wir bei einander auf Purpurpfühlen im Nardendampf, indes bekränzte Mädchen und Knaben vor uns die Saiten schlagen und holde Grimassen vollziehen, wir aber träumen im Schauen und Lauschen von der Nacht, die war, und von der, die sein wird. Denn ich reiche dir den Becher, aus dem wir trinken an ein und demselben Ort seines goldnen Randes, und während wir trinken, verständigen sich unsre Augen über die Lust, die wir kosteten gestern nacht, und über die, die wir planen für heute nacht, und schmiegen unsre Füße zusammen ...«
    »Nein, höre einmal, Mut-im-Wüstental!« sagte er hierauf. »Ich muß dich denn doch beschwören ... So sagt man wohl: ›Ich beschwöre dich‹, hier aber gilt’s eigentlich, und man muß dich beschwören in Wahrheit, oder vielmehr den Dämon, der aus dir redet und von dem du offenkundig besessen bist, es ist nicht anders! Wenig Erbarmen hast du mit deiner Sage, das muß man gestehen, und machst eine Magd aus dir mit Namen ›Mutter der Sünde‹ für alle Zukunft. So bedenke doch, daß wir vielleicht, ja wahrscheinlich, in einer Geschichte sind, und nimm dich ein wenig zusammen! Auch ich, siehst du wohl, muß mich doch zusammennehmen gegen deinen wonnigen Andrang, wenn es mir auch erleichtert wird durch das Entsetzen, das mir dein besessener Vorschlag erregt, Peteprê zu ermorden, meinen Herrn und deinen Ehrenmann. Das ist ja gräßlich! Es fehlte nur, daß du sagst, wir seien miteinander im Geheimnis deswegen, weil du mich in den Gedanken hineingezogen und es nun leider auch meiner ist. Aber daß es bei dem Gedanken bleibe und daß wir nicht solche Geschichte machen, dafür will ich schon sorgen. Liebe Mut! Die du mir ansinnst, die Lebensweise mit dir hier im Hause, nachdem wir den Herrn daraus weggemordet, damit wir uns aneinander weiden, die will mir gar nicht gefallen. Bilde ich mir’s ein, wie ich mit dir hause im Mordhaus als dein Liebessklave und mein Herrentum davon ableite, daß ich bei der Herrin schlafe, so wird mir verächtlich zumute um meinetwillen. Soll ich nicht gar ein Weiberkleid tragen aus Byssus, und du befiehlst mich allnächtlich zur Lust, den abgeleiteten Herrn, der mit dir den Vater gemordet, um mit der Mutter zu schlafen? Denn genau so wäre es mir: Potiphar, mein Herr, ist mir wie ein Vater, und wohnte ich bei dir im Hause des Mordes, so wäre mir’s, als tät’ ich’s mit meiner Mutter. Darum, liebes, gutes Kind, beschwöre ich dich aufs freundlichste, dich doch zu trösten und mir ein so großes Übel nicht anzusinnen!«
    »Tor! Kindischer Tor!« antwortete sie mit Sangesstimme. »Wie du mir knäbisch erwiderst in deiner Liebesscheu, die ich brechen muß als werbende Herrin! Mit der Mutter schläft jeder – weißt du das nicht? Das Weib ist die Mutter der Welt; ihr Sohn ist der Mann, und jeder Mann zeugt in der Mutter – muß ich dir das Anfänglichste sagen? Isis bin ich, die große Mutter, und trage die Geierhaube! Mut ist mein Muttername, und du sollst mir den deinen nennen, holder Sohn, in süßer, zeugender Weltennacht ...«
    »Nicht so, nicht so!« sprach Joseph ihr eifrig entgegen. »Es ist nicht richtig, wie du es meinst und verkündigst, – ich muß deine Ansicht verbessern! Der Vater der Welt ist kein Muttersohn, und nicht von einer Herrin wegen ist er der Herr. Ihm gehöre und vor ihm wandle ich, ein Vatersohn, und ein für allemal sage ich dir: ich will nicht dergestalt sündigen wider Gott, den Herrn, dem ich gehöre, daß ich den Vater schände und morde und mit der Mutter ein Paar mache als schamloses Flußpferd. – Mein Kind, damit gehe ich. Liebe Herrin, ich bitte um Urlaub. Ich will dich nicht verlassen in deiner Verstörung, gewiß nicht. Mit Worten will ich dich trösten und dir gut zureden, wie ich nur kann, denn ich bin dir’s schuldig. Nun aber muß ich von dir Urlaub nehmen und gehen, daß ich meines Herrn Haus versehe.«
    Er ließ sie. Sie rief ihm noch nach:
    »Meinst du, du entkommst mir? Glaubst du, wir entrinnen einander? Ich weiß, ich weiß schon von deinem eifernden Gott, dem du verlobt bist und dessen Kranz du trägst! Aber ich fürchte den Fremden nicht und will dir

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