Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
sie. Kluge Schonung forderst du für das Leben des Herzens und scheinst von seiner Partei gegen mich und mein dröselndes Forschen. Aber das heißt die Welt verkehren, denn ich bin’s gerade in meiner Not, die für dies Leben kämpft, indem ich’s dringend erforsche! Was soll ich anders tun, Geliebter, und wie mir helfen? Herrin bin ich dir, meinem Herrn und Heiland, nach dem ich brenne, und kann dein Herz nicht schonen noch deine Liebe auf sich beruhen lassen, weil’s schade um sie. Angehen muß ich sie mit ergründender Grausamkeit, wie der bärtige Mann die zarte Jungfrau angeht, die sich nicht kennt, und muß ihrer Demut die Inbrunst entreißen und ihrer Frommheit die Lust, daß sie sich ihrer selbst erkühnt und den Gedanken zu fassen vermag, daß du nahe bei mir schläfst, denn darin ist alles Heil der Welt begriffen, daß du das tust mit mir, eine Frage ist es der Seligkeit oder der Höllenqual. Es ist eine Höllenqual für mich worden, daß unsre Glieder getrennt sind da und dort, und wenn du nur von deinen Knien sprichst, auf denen du mich bittest, ich weiß nicht um was, so faßt mich eine unsägliche Eifersucht an um deiner Knie willen, daß sie dein sind und nicht auch mein, und müssen nahe bei mir sein, daß du bei mir schläfst, oder ich komme um und verderbe!«
Joseph: »Liebes Kind, das kann nicht sein, besinne dich doch, wenn dein Knecht bitten darf, und verbohre dich nicht in diese Idee, denn sie ist ernstlich vom Übel! Du legst ein übertrieben Gewicht, ein krankhaftes, auf dies Tun, daß Staub beim Staube sei, denn es wäre zwar lieblich im Augenblick, daß es aber die bösen Folgen und alle Reue aufwöge, die danach kämen, das scheint dir nur wahnweise so vor der Tat, bei fieberndem Urteil. Siehe, es ist nicht gut, und kann niemandem wohl dabei sein, wie du mich angehst bärtigerweise und freist als Herrin um meiner Liebe Lust; es ist etwas von Greuel darin und paßt nicht in unsere Tage. Denn mit meiner Knechtschaft ist es so weit nicht her, und ich kann den Gedanken, den du mir nahelegst, sehr wohl von mir selbst aus fassen – nur zu wohl, ich versichere dich, doch dürfen wir ihn eben nicht tätigen, aus mehr als einem Grunde nicht, aus viel mehr als einem, aus einem ganzen Haufen davon, dem Sternhaufen gleich im Bilde des Stieres. Versteh mich recht – ich darf in den lieblichen Apfel nicht beißen, den du mir reichst, daß wir Missetat essen und alles verderben. Darum rede ich und bin unverschwiegen, sieh es mir gütig nach, mein Kind; denn da ich nicht mit dir schweigen darf, so muß ich reden und Worte des Trostes erlesen, da mir an deiner Tröstung, teure Herrin, alles gelegen.«
Die Frau: »Zu spät, Osarsiph, es ist schon zu spät für dich und uns beide! Du kannst nicht mehr zurück, und ich kann’s auch nicht, wir sind schon verschmolzen. Hast du nicht schon die Stube verhängt für uns und uns eingeschlossen zusammen im Schatten gegen die Welt, so daß wir ein Paar sind? Sagst du nicht schon ›wir‹ und ›uns‹, ›man könnte uns sehen‹ und ziehst dich und mich zusammen zu süßer Einheit in diesen köstlichen Wörtchen, die die Chiffer sind für alle Wonne, die ich dir nahelege und die schon in ihnen vollendet ist, so daß die Tätigung gar nichts Neues mehr schafft, nachdem das Wir gesprochen, denn das Geheimnis haben wir doch schon vor der Welt miteinander und sind zu zweien abseits von ihr mit unserem Geheimnis, also daß gar nichts übrigbleibt, als es zu tätigen ...«
Joseph: »Nein, höre, Kind, das ist nicht gerecht, und du tust den Dingen Gewalt an, ich muß widersprechen! Wie, deine Selbstvergessenheit zwingt mich, die Stube zu schließen, um deiner Ehre willen, damit man nicht vom Hofe sehe, wo du dein Haupt hast, – und nun wendest du’s so, daß schon alles gleich sei und sei schon so gut wie geschehen, weil wir bereits das Geheimnis hätten und müßten uns absperren? Das ist höchst ungerecht, denn ich habe gar kein Geheimnis, ich schirme nur deines: nur in dieser Bedeutung kann die Rede sein von ›wir‹ und ›uns‹, und ist gar nichts damit geschehen, wie denn auch künftig nichts geschehen darf um eines ganzen Sternhaufens willen von Gründen.«
Die Frau: »Osarsiph, holder Lügner! Du willst unsre Gemeinschaft nicht wahrhaben und unser Geheimnis, wo du mir eben noch selbst gestandest, was ich dir freiend nahelege, läge dir allzu nahe von dir aus schon? Das nennst du, Böser, kein Geheimnis haben mit mir vor der Welt? Denkst du denn nicht
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