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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wird oder vielleicht auch nur ein paar Stunden oder vielleicht sogar nur ein paar elende Minuten. Nein, nicht elende Minuten, sehr gute vielmehr und glückliche.
    Er machte sich daran, seinen Weg fortzusetzen, hinunterzusteigen. Er hatte Geräusch gehört und war behutsam. Er vermied jeden breiteren Pfad, duckte sich, wo er gesehen werden konnte, trat vorsichtig auf. Doch einmal trat er ungeschickt. Ein Stein löste sich und fiel unglücklich, so daß man ihn auf der Straße hörte. Die aber auf der Straße zogen, waren römische Reiter und hielten an und machten sich daran, den Berghang abzusuchen.
      Josefs Gesicht war nicht mehr so gut wie sein Gehör; er wußte lange nicht, ob es Leute von den Seinen seien oder Römer, die da den Berghang absuchten. Dann kamen sie näher, und er erkannte, daß es Römer waren.
      Einen Augenblick durchströmte ihn wilder Schreck und spülte alle Kraft aus ihm weg, Er war heute eine gute Strecke Weges gegangen, auf und ab, auf rauhem Pfad, und plötzlich war seine ganze Frische wieder fort. Er war ein alter Mann, das Herz, das ihm bisher so leicht gewesen, lag ihm auf einmal schwer und schmerzhaft in der Brust wie eine Geschwulst, die Knie versagten ihm, er mußte niederhocken.
      Allmählich indes ging die Schwäche vorbei, und es kam über ihn das frühere große Einverstandensein, ja etwas wie Freude, daß er nun am Ziel war. Er hätte damals fallen sollen in dem ersten Krieg, in guter Jugend, in Galiläa. Er ist dem ausgewichen und hat statt dessen ein höchst bewegtes Leben geführt und Kinder und Bücher in die Welt gesetzt, gute und schlechte, und einige leben noch und einige sind verweht, und er hat bewirkt, daß sehr viel Böses geschah, aber doch auch einiges Gute, und jetzt, sehr verspätet, ist es ihm vergönnt, nachzuholen, was er damals sträflich versäumt hat, im Krieg zu sterben, in Galiläa.
      Da saß er also in der leichten, klaren Luft und schaute den Männern entgegen, schwachen Leibes, doch frei von Furcht und voll von Erwartung.
      Die Soldaten kamen heran und fanden einen alten Juden. Sie beschauten ihn, unschlüssig, er beschaute sie, neugierig. »Gib die Parole, Jude!« verlangte schließlich der Anführer. »Ich weiß sie nicht«, antwortete Josef. »Was suchst du hier?« fragten die Soldaten. »Ich habe viele Freunde in Galiläa«, erwiderte Josef, »und ich war besorgt um ihr Schicksal und wollte sie aufsuchen.« – »Und da schleichst du auf heimlichen Pfaden und gehst nicht auf der kaiserlichen Heerstraße?« fragten sie. Und er antwortete: »Ich habe gedacht, die kaiserliche Heerstraße ist voll von kaiserlichen Soldaten. Da hält sich ein alter Mann besser auf den Nebenwegen.« Die Soldaten lachten. »Das hast du schlau gedacht«, sagte der Anführer, »aber nun wirst du wohl einen noch größeren Umweg machen müssen als deine Bergpfade. Und wer bist du überhaupt? Ein Bauer bist du doch nicht, und aus Galiläa bist du auch nicht.« – »Ich bin Flavius Josephus, vom Zweiten Adel«, sagte Josef, und er wies seinen Goldenen Ring vor, und er sprach jetzt lateinisch, während man bisher aramäisch gesprochen hatte. »Soso?« lachten die Soldaten. »Vom Zweiten römischen Adel bist du? So haben wir uns einen römischen Ritter immer vorgestellt!« – »Da seht ihr«, sagte freundlich Josef, »daß die Wirklichkeit manchmal anders aussieht, als man glaubt. Ich habe übrigens ein gutes Papier.« Und er holte den Ausweis hervor, den man ihm auf der Statthalterei von Cäsarea ausgestellt hatte.
      Die Soldaten beschauten sich das Papier nicht lange. »Mit diesem Wisch«, sagten sie, »können wir nichts anfangen. Hier gilt nur eine Unterschrift, die von Paulus Bassus!« Josef schaute nachdenklich vor sich hin und sagte: »Euern Paulus Bassus kenne ich sehr gut, und er kennt mich sehr gut.« Da lachten die Soldaten schallend über den Spaßvogel von einem alten Juden, der ein Freund ihres Oberbefehlshabers Paulus Bassus sein wollte. »Da hättest du dir eigentlich«, erwiderten sie, »von deinem Freund die Vorschriften sagen lassen sollen, die gerade er erlassen hat. Wenn auf einer galiläischen Straße ein Jude und Beschnittener getroffen wird, der nicht in einem Nachbarort beheimatet ist, und er kennt nicht die Parole, dann ist er als Spion anzusehen. Bist du ein Jude? Bist du beschnitten?« – »Ich bin es«, sagte der alte Mann. Der Anführer schwieg eine ganz kleine Weile, dann hob er langsam die Schultern und ließ sie wieder fallen,

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