Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
es war beinahe wie eine Entschuldigung. »Na also!« sagte er. »Du scheinst verständig und begreifst sicher, daß es, wenn wir es kurz machen, nicht böser Wille ist, sondern Dienstvorschrift.« – »Bedanke dich bei deinem Freunde Paulus Bassus!« fügte einer hinzu. Josef sah sie aufmerksam an, einen nach dem andern. »Das möchte ich«, sagte er ruhig, »und ihr tätet gut, es mir zu ermöglichen. Denn ich bin wirklich vom Zweiten römischen Adel, und ich kenne wirklich euern Paulus Bassus sehr gut.«
Seine Stimme, seine Augen, seine ruhige Art machten Eindruck auf die Soldaten. Auch schien der Mann kein Spion zu sein, für einen solchen hätte man sich schwerlich einen so alten, auffälligen Juden ausgesucht. Aber Befehl war Befehl. Dazu war man verspätet, die Streife hatte mehr Zeit beansprucht, als man erwartet. Wenn man sich mit dem Burschen belastete und dadurch noch später ans Ziel kam, wurde man angeschnauzt; wenn man ihn erledigte, war man eindeutig im Recht.
Aber die Soldaten waren nicht bösartig von Gemüt. Sie waren von denen, die seit langem hier im Lande in Garnison standen, sie hatten ab und zu mit Juden zu tun gehabt und sahen in ihnen nicht nur Feinde. »Die Vorschriften«, überlegte einer laut, »heißen: seid human, solange es die militärischen Rücksichten erlauben!« – »Krieg ist Krieg«, sagte ein anderer. »Höre, Mensch«, schlug der Anführer dem Josef vor, »wir müssen nach Tabara und haben nicht viel Zeit. Wir wollen versuchen, dich mitzuschleppen. Galopp werden wir nicht reiten, aber auch nicht im Schritt. Wir sind schon verspätet. Es ist wie in der Arena. Einige überstehen’s. Wir geben dir eine Chance. Wir binden dich ans Pferd, und wenn du’s schaffst, dann hast du’s geschafft. Ist das ein guter Vorschlag?« – »Ich denke«, sagte der, der zuerst gesprochen, »es ist ein guter Vorschlag und im Sinne des Reglements. Sag selber, Jud!« forderte er den Josef auf. Der schaute ihn lang und nachdenklich an. »Du hast recht, mein Junge«, sagte er. »Es ist im Sinne des Reglements.«
Sie untersuchten ihn. Er hatte etwas Barschaft bei sich, noch ein wenig Mundvorrat, den Ausweis der Statthalterei und am Finger den Goldring des Zweiten Adels. »Das könnte gestohlen sein«, meinten sie und nahmen es ihm ab. Dann stiegen sie hinunter zur Straße und banden ihn einem ans Pferd. Dieser Reiter war ein gewisser Philippus, ein gutmütiger Mensch. »Ich werde nicht zu schnell reiten, Mann«, versprach er und gab dem Josef Wein zu trinken, damit er sich stärke. Dann ritten sie los.
Wind ging, die Luft war frisch und würzig, der Trab war nicht zu schnell, und die ersten Minuten schien es wahrhaftig nicht ganz ausgeschlossen, daß der Mann es schaffe. Seine alten Füße liefen, er atmete gleichmäßig, und sie sagten: »Na siehst du, nur nicht aufgeben!« Doch dann begann er zu japsen, und dann stolperte er und fiel. Sein Kleid war zerrissen, er blutete, aber es waren nur Abschürfungen, nichts Ernstliches. Er raffte sich auch bald wieder auf und lief weiter. Dann fiel er nochmals, diesmal schwerer, immerhin waren es nur die Arme und das Gesicht. Philippus hielt sein Pferd an, gab seinem Gefangenen nochmals zu trinken und gönnte ihm eine Minute, ehe er weiterritt. Dann aber fiel Josef ein drittes Mal, und diesmal wurde er eine Weile über die Straße geschleift. Es lag trotz des Frühjahrs dicker Staub auf der Straße, das war gut für Josef, aber Steine gab es natürlich auch, und als Philippus endlich hielt, war der alte Jude über und über mit Blut besudelt, seine Augen waren geschlossen, und aus seiner Brust kam ein Röcheln, das unangenehm zu hören war.
Philippus rief den andern etwas zu, und die versammelten sich um Josef. »Was sollen wir nun mit dir anfangen?« sagten sie. »Offenbar hast du verspielt. Sollen wir ihn abtun«, überlegten sie, »oder sollen wir ihn liegenlassen?« Und: »Sollen wir dich abtun, Alter, oder sollen wir dich liegenlassen?« wandten sie sich geradezu an ihn selber. »Wir haben uns ans Reglement gehalten«, erklärte nochmals der Anführer, entschuldigend.
Josef hörte sie reden, aber er verstand sie nicht. Sie sprachen lateinisch, doch er, der Vielsprachige, verstand jetzt nur mehr die Sprache des Landes, und er hätte auch nicht sprechen können. »Ich meine«, schlug schließlich einer vor, »wir überlassen ihn sich selber. Unheil richtet der keines mehr an.« Und so taten sie. Sie hoben ihn noch hoch und
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