Jud Sueß
deutlich zeichnet. Schon die geographische Lage seines Ursprungslandes gibt ihm jene Mischung von Asien und Europa, gibt ihm die westöstlichen Züge, die das Gesicht des Typus bestimmen, zu dem hin die Entwicklung drängt. Das Gleichnis dieses westöstlichen Menschen erblickte ichin dem Manne Josef Süß, in seinem heftigen Ergreifen und in seinem überzeugten Sichfallenlassen, in seinem wilden Tun und in seinem gelassen-kräftigen Nichttun.«
Im Winter 1916/17 schrieb Feuchtwanger zunächst das Schauspiel »Jud Süß«. Der erste Druck erschien 1918 im Georg Müller Verlag, München. »Ich erkannte bald«, heißt es in seiner Niederschrift »Vom Schicksal des Buches ›Jud Süß‹«, 1958, »daß das Stück nur eine Fassade war dessen, was ich sagen wollte, ich zog es zurück und schrieb den Roman ›Jud Süß‹; die epische Form schien mir ein besseres Mittel, das auszudrücken, was mich zur Formung der Geschichte des Juden Süß gereizt hatte.« Im Mai 1922 schloß er das Manuskript ab, fand aber keinen Verleger. Schließlich wurde das Buch 1925 vom Drei Masken Verlag »lustlos hergestellt und vertrieben«, erreichte aber durch den unerwartet eingetretenen Erfolg bereits im ersten Jahr eine Auflage von hunderttausend Exemplaren und begründete Feuchtwangers Weltruhm.
Von den Nationalsozialisten wurde der Roman wie alle Werke Feuchtwangers verboten; dennoch benutzten sie ihn als Vorlage für den Veit-Harlan-Film »Jud Süß«, sein Anliegen ins Gegenteil verkehrend und ihn so zu antisemitischer Propaganda mißbrauchend. Feuchtwanger reagierte darauf 1941 mit einem »Offenen Brief an sieben Berliner Schauspieler«, die Hauptdarsteller des Films. »Jetzt … haben Sie diesen dicken Film gedreht, diesen ›Spitzenfilm‹, in ganz großer Aufmachung«, heißt es darin unter anderem. »Man wird mit Aug und Ohr nachprüfen können, wie Sie alle dazu beigetragen haben, die Geschichte jenes Juden, von dem Sie alle wußten, daß er ein großer Mann war, ins genaue Gegenteil zu verkehren. Und Sie werden nicht die bescheidenste Ausrede haben; denn Sie sind sich alle klar darüber gewesen, daß von Anfang an hinter diesem Film nicht die Spur eines künstlerischen Willens stand, sondern nur eine Tendenz, deren Dummheit und Gemeinheit allen bewußt war.«Aufbau- und Greifenverlag, die nach 1945 Romane von Feuchtwanger herausbrachten, zögerten damit bei »Jud Süß«. Aber Feuchtwanger legte Wert auf Erscheinen gerade dieses Romans. Aus einem Brief an den Aufbau-Verlag vom 15. Januar 1951: »Da die Harlan-Prozesse um den Nazi-Film ›Jud Süß‹ so viel Staub aufgewirbelt haben, scheint es doppelt verwunderlich, daß der Roman, den die Hitler-Leute so greulich entstellt haben, von den Deutschen in seiner wirklichen Form nicht gelesen werden kann … Aber man schreibt mir aus Westdeutschland, daß dort ein stiller Boykott der Buchhändler gegen mich bestehe, da ich mich so oft und so offen für die Deutsche Demokratische Republik eingesetzt habe. Wieweit das wahr ist, kann ich hier in Kalifornien nicht nachprüfen. Aber daß auch im Osten Vorurteile gegen das Werk da sind, scheint mir erwiesen.« Daß keineswegs Vorurteile die Ursache für das Nichterscheinen waren, ergibt sich aus dem Antwortbrief Erich Wendts: »Die Nazizeit hat in den Köpfen solch große Verheerungen angerichtet, daß sogar Bücher, wie der ›Jud Süß‹, dem doch wahrhaftig niemand antisemitische Tendenzen zuschrieb und dem auch heute noch kein ernsthafter Mensch solche Tendenzen zuschreiben kann, auf die vergifteten Hirne rückständiger Schichten eine antisemitische Wirkung haben. Deshalb haben wir das Buch nicht in unser Programm aufgenommen. Die großartigen Ghettogeschichten von Egon Erwin Kisch wurden aus denselben Erwägungen zurückgestellt. Nach der Ermordung von sechs Millionen Juden, nach Strasser und Rosenberg ist die jüdische Frage noch immer eine offene Wunde, und da kann man nicht so zupacken, als wäre das gesundes Fleisch.« – Die Begründung wurde von Feuchtwanger sofort akzeptiert.
Als der Aufbau-Verlag 1957 mit der Vorbereitung einer Gesamtausgabe der Werke Feuchtwangers begann, zeigten sich beim Vergleich verschiedener Ausgaben des »Jud Süß« große textliche Abweichungen. Der Autor hatte als Druckvorlage die Knaursche Ausgabe von 1931 empfohlen; aber auch sie wies starke Kürzungen auf. Feuchtwanger, dem derSachverhalt mitgeteilt wurde, bestätigte in einem Brief, daß tatsächlich »eine große Reihe eigenmächtiger
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