Judassohn
Stufe für Leipzig ist bald erklommen. Danach knöpfen wir uns die Russen vor. Die Geschäfte gehören in deutsche Hand.«
Die Männer und Frauen lachten zufrieden.
Sia hatte aufmerksam zugehört. Sie war sich nicht schlüssig,was sie tun sollte, wenn der Maskierte nicht handelte. Sie konnte sich nicht um jeden Verbrecher in Leipzig kümmern, schließlich war sie nicht Batgirl. Aber wenn sie die Gruppe gewähren ließ, hatte sie auch kein gutes Gewissen. Mitwissen und Nichtstun machte sie zur Mitschuldigen.
Ich könnte einen von denen schnappen, verhören und den Bullen einen Tipp geben. Die sollten sich um die guten Deutschen kümmern.
Der Blonde nahm sein Handy aus der Jackentasche. »Ich habe einen besonderen Auftrag. Sozusagen eine Fingerübung und für mich der Beweis, wie gut euer Trupp sein kann.« Er drückte ein paar Tasten. Sekunden darauf schwebten unterschiedliche Piepsignale durch den Raum. »Jeder von euch hat soeben eine SMS weitergeleitet bekommen. Wir suchen diesen Mann für einen Bekannten von mir. Jeder von euch erhält eintausend Euro, sobald ihr ihn in Leipzig aufgespürt habt.«
»Nicht schlecht«, warf Jenny ein. »Sollen wir ihn fertigmachen?«
»Nein. Nur aufspüren. Louis will ihn selbst erledigen. Wir sind uns aber nicht sicher, ob er wirklich in der Stadt ist. Gebt dennoch alles.«
Wer du auch bist, den sie suchen: Viel Glück!
Es stank noch immer nach Wolf. Der tierhafte Geruch schien von den Menschen auszugehen.
Sie riechen definitiv anders.
Unvermittelt sah der Computermann auf die einen Spaltbreit geöffnete Tür. Genau auf sie. Zuerst dachte sie, sie sei entdeckt worden. »Wo bleibt Sven?«
Glück gehabt.
»Ich dachte, er soll Wache halten?«, gab Jenny zurück.
Das Klackern wurde kurz unterbrochen, er zeigte ihr den Vogel. »Wozu haben wir denn Kamerad Fandow am Eingang? Er ruft mich an, wenn jemand auftaucht.«
Sie nickte. »Okay. Ich gehe ihn holen.«
»Aber nicht zu lange brauchen, ja, Jenny?«, rief ihr der Blonde nach. Sie zeigte ihm den Mittelfinger und verließ den Raum durch eine andere Tür.
»Ich leg jetzt was rein«, verkündete der Dritte und nahm einen der Säcke. »Mach mal auf«, rief er zum Computermann.
»Ist aber noch nicht heiß genug«, gab dieser zur Antwort.
»Egal. Wird noch werden.« Es klickte mehrmals kurz hintereinander, und die Klappe schwang scheinbar von selbst vor dem Blonden zurück.
Plötzlich erschien der Maskierte wie aus dem Nichts. Er packte den Mann vor der Klappe einhändig und beförderte ihn samt dem Sack kopfüber in den Verbrennungsofen; die andere Hand hielt die schallgedämpfte Pistole und richtete die Mündung auf die Gruppe, damit sie stehen blieb. Aus der Kammer drang lautes Schreien. »Zumachen.« Er sprach mit kräftiger männlicher Stimme.
Als der Befehl nicht sofort befolgt wurde, schoss der Maskierte dicht neben dem Computermann in die Wand. Dessen Finger flogen daraufhin über das Keyboard, und die Klappe schwang zu. Der Protest des Eingesperrten wurde leiser.
»Meine Güte«, sagte der Maskierte kalt. »Nazis, die sich
Wehrwölfe
nennen.
Das
ist doch mal innovativ.«
Die vier Männer wechselten schnelle Blicke.
Ein Handy klingelte.
Der Maskierte zog die zweite Pistole bedächtig aus dem Achselholster. »Nicht rangehen«, mahnte er. »Ich wette, es ist die Kleine, Jenny, die eben nach eurem Freund schauen wollte. Viel wird er ihr nicht mehr erzählt haben. Und mitkommen kann er schon gar nicht.«
»Du hast Sven kaltgemacht?«, fragte der Blonde ruhig.
»Nicht schwer. Bei dem Wetter«, gab der Maskierte zurück.
Auch noch schlagfertig, der Junge.
Sia grinste in ihrem Versteckund lauschte, aber noch erklangen keine Schritte im Korridor.
Das Klingeln endete; keiner der Männer rührte sich.
»Du bist so ein Depp von der Antifa, dem sie ein bisschen Mut in die Eier gefüllt haben, was?«, schnarrte der Blonde und nahm einen tiefen Zug von seinem fast abgebrannten Zigarillo. »Denk noch mal drüber nach: Wenn du jetzt gehst, kommst du zumindest lebend hier
raus
. Wie
weit
du kommst,
das
entscheiden wir noch.«
Kennen sie sich?
Sia schien es nicht so, doch sie musste zugestehen, dass der Blonde extrem gelassen blieb. Er schien sicher zu sein, nicht als Verlierer zu enden, obwohl alles danach aussah: vier Männer gegen zwei Pistolen, die augenscheinlich von einem Profi geführt wurden.
Der Lärm aus dem Verbrennungsofen war inzwischen verstummt. Der Eingesperrte hatte anscheinend aufgegeben oder war
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