Judassohn
geöffnete Heck und machte sich auf den Weg ins Krematorium. Dabei zog er das Kurzschwert und eine Pistole.
Das war … effizient. Der Junge würde den Machern der Cage-Fights gefallen.
Sia kam aus ihrer Deckung. Sie lief an dem Getöteten vorbei, der mit gebrochenen Augen in den Sternenhimmel starrte. Blut war ihm aus dem Mund gespritzt und hatte sich um Lippen und Kinn verteilt, Knochensplitter standen aus dem Nasenrücken.Die zermalmte Kehle erinnerte sie an eine geplättete Pappröhre. Rings um den Kopf der Leiche herum war der Schnee rot gesprenkelt.
Anscheinend ist der Junge ziemlich wütend auf die Typen.
Sia verzichtete darauf, die Taschen des Toten zu filzen. Sie wollte mitbekommen, was passierte, wenn ihr weißer Ritter auf die Tuareg-Insassen traf.
Oder bist du der Böse, und die anderen sind die Netten?
Wahrscheinlicher war, dass es sich um Schurken handelte, die sich gegenseitig nachstellten. Aber es waren Schurken mit einem stattlichen Portemonnaie. Tuareg und Cayenne konnte sich nicht jedermann leisten.
Sia nahm zweierlei Sorten Blut wahr: frischen und alten Lebenssaft. Der frische Geruch stammte vom Fahrer. Der ältere war ihr im Vorbeigehen aufgefallen, aus dem Innenraum des Geländewagens, und das bedeutete: Etwas Blutiges war darin transportiert worden.
Unvermittelt roch sie Rauch und hob den Kopf. Aus dem rechten Schlot auf dem Dach des Krematoriums stieg Dampf. Einer der Öfen war angeheizt worden.
Es geht los!
Sia betrat das Gebäude, immer dem schwachen Lichtschein und dem Geruch von frischem Blut folgend, das am Stiefel des Maskierten haftete.
Zu Neugier und Ärger mischte sich Erregung: Der Geruch des Blutes weckte ihren Durst, ihre Begierde.
Sie grollte, zog die Lippen auseinander und fühlte, wie die Reißzähne ausfuhren.
Ruhig,
mahnte sie sich selbst.
Du wirst dich gedulden müssen.
Die gierige Seite in ihr drängelte, dass die Gelegenheit günstig sei. Sie konnte sich die Typen schnappen, sie leer trinken und die Leichen anschließend im angefeuerten Krematorium in Asche verwandeln. Ohne großen Aufwand, ohne Beweise. Mit ein bisschen Glück würden sie nicht mal als vermisst gemeldet werden.
Geduld!
Der Lichtschein einer entfernten, leicht geöffneten Tür lotste sie durch einen Korridor. Störender Duft von Blumen – Lilien — mengte sich unter den des Blutes, verfälschte den süßen, lockenden Geruch – und plötzlich stank es nach
…
Tier? Hund?
Sie inhalierte tief, atmete leicht durch den Mund aus, um die Nuancen mit Hilfe der Zunge zu schmecken.
Wolf!
Sias Neugier, Ärger und Erregung wurden Opfer des Gestanks und blitzschnell von höchster Alarmbereitschaft unterdrückt. Sie wusste von der Vampirrasse der Umbra, dass sie sich in schwarzpelzige Halbwölfe verwandeln konnten. Menschen nannten sie aus Unwissenheit Werwölfe.
Der Volksglaube sagte über den Umbra, dass er der Schatten eines toten Mannes war, der zu Lebzeiten viel Böses getan hatte und seine Fertigkeiten vom Teufel persönlich als Belohnung für sein Tun erhalten hatte. Sia war gewillt, sich der allgemeinen Ansicht anzuschließen. Zumindest wurde der Umbra von einem besonders fürchterlichen Dämon erschaffen.
Schreckliche Gegner.
Die Erinnerung an frühere Begegnungen mit diesen Bestien ließ ihr einen Schauder den Rücken hinunterlaufen. Einer ihrer Kämpfe, damals in ihren Jugendjahren, wäre beinahe schiefgegangen …
Sie hatte zuerst gar nicht gewusst, wem sie gegenüberstand, weil ein Umbra nicht wie ein herkömmlicher Blutsauger daherkam, weder in seiner Gestalt noch in seiner Kampfweise. Er zeichnete sich durch enorme Stärke aus, obwohl er nur als ein schwarzer Umriss erschien, und konnte sogar Flammen speien. Eine außergewöhnliche Vampirspezies, hoch aggressiv und blindlings wütend. Das einzig Gute an ihnen war: Sie vermehrten sich nicht durch eine Infizierung. Nur ein Dämon vermochte einen Umbra zu erschaffen.
Wie konnten diese Viecher von mir unbemerkt nach Leipzig eindringen?
Sie langte hinter sich, zog ihren Dolch, den sie unterdem Mantel in einer Hülle am Gürtel trug; einen zweiten bewahrte sie in der Unterarmhalterung auf.
Ihr Ärger über diese Nachlässigkeit wuchs.
Jetzt kommen schon Porsche-Cayenne-Fahrer, um meinen Job zu machen.
Und das alles nur, weil sie die Verwandtschaft hegte und pflegte, anstatt mit allen Sinnen achtzugeben und zu wachen.
Früher wäre mir das nicht passiert.
Kehliges Lachen erklang, eine schwere Klappe wurde mit Schwung geschlossen.
Der
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