Juli, Die Viererkette
zusammen.
Vor mir stand der Fahrer des LKWs.
„Was machst du hier?“, brummte er, und ich schaute mich um.
Die Unbesiegbaren Sieger waren spurlos verschwunden.
„Was machst du hier?“, fragte mich der Fahrer nochmal. „Ich hab dich noch nie hier gesehen. Ist alles in Ordnung mit dir? Brauchst du vielleicht Hilfe?“
Jetzt erst bemerkte ich, wie ich zitterte, und jetzt erst bemerkte ich auch, wie freundlich der Mann vor mir war.
Er wollte mir helfen. Er war nicht wie der Dicke Michi und seine Unbesiegbaren Sieger . Er war nicht mein Feind. Aber aus irgendeinem Grund schüttelte ich meinen Kopf und rannte davon.
Doch das war ein Fehler. Als ich die Steppe erreichte, tauchte der Dicke Michi noch einmal auf.
„Halt!“, schrie er, und ich erstarrte, als hätte man mich mitten in der Bewegung vereist.
„Halt!“, wiederholte der Dicke Michi noch einmal ganz leise. „Morgen Abend! Das ist ein Deal, hast du verstanden? Und wenn du dich nicht daran hältst, lass ich Krake, Sense und Kong auf dich los!“
Ich nickte, und der Dicke Michi grinste zurück.
„Dann mach’s mal gut. Wir sehen uns in der Schule“, flötete er.
Ich aber pfiff auf jede Höflichkeitsfloskel. Ich nahm meine Beine in meine Hände, und zum ersten Mal in meinem so kurzen Leben wünschte ich mir, dass ich Fabi wär, der schnellste Rechtsaußen der Welt.
Wo warst du, Juli?
Als ich nach Hause kam, umarmte ich alle.
„Ich bin wieder da!“, rief ich begeistert. „Seht ihr das? Ich bin wieder da!“
Ich drückte meine Mutter und gab Joschka einen ganz fetten Kuss. Der schlug mir sofort auf die Nase.
„Igitt!“, schimpfte er, doch dafür bekam er sofort noch einen Schmatz – und ich seine Faust in den Magen.
„Ich hasse das, wenn du das machst!“, schrie mich Joschka jetzt an, und ich strahlte wie ein Engel zurück: „Und ich liebe dich dafür umso mehr. Los, schlag noch mal zu, wenn du willst!“ Großmütig bot ich ihm mein Kinn als nächstes Ziel an, und Joschka nahm das Angebot an. Er hob die Faust und schlug zu. Dieses Mal ging ich zu Boden. Das heißt, für ein paar Momente wusste ich nicht mehr so recht, wo ich war. Dann schaute ich benommen zu meinem Bruder hinauf.
„Kreuzkümmel und Hühnerkacke! Das nenn ich Bruderliebe!“, stöhnte ich.
„Ganz genau! Und davon kannst du so viel bekommen, wie du nur willst!“, drohte er.
Ich rieb mein geschundenes Kinn und grinste ihn an: „Das ist zu nett von dir, Brüderchen. Aber sollten wir die Sache nicht ein wenig langsamer angehen? Nachher lieb ich dich so, dass ich dich heiraten will!“
Joschka lief puterrot an. Er schnaubte, fauchte, reckte die Fäuste zur Decke und wollte mich vorsätzlich niedermachen. Doch dann hielt er mitten in diesem Gezappel inne, kam zu sich und drehte sich einfach nur weg.
„Juli ist durchgeknallt“, sagte er trocken zu unserer Mutter und ging aus der Küche hinaus.
„Trotzdem. Ich bin absolut froh, dass es euch beide gibt!“, rief ich ihm nach und schaute verschmitzt zu unserer Mutter.
Die saß am Küchentisch und stopfte Knoblauch in die Presse hinein. Sie musterte mich, und dann drückte sie mit aller Kraft zu.
„Wo warst du, Juli?“, fragte sie nur, und ich wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen.
„Ich bin in der Hölle gewesen, Mama!“, hätte ich ihr am liebsten gesagt. Doch ich traute mich nicht.
Ja, und genauso erging es mir am nächsten Tag in der Schule.
„Verflixte Hühnerkacke! Juli, wo bist du gewesen?“, rief Raban und lief noch vor dem Pausenhof auf mich zu. „Die achte Dimension ist knallhart. Willi hat uns in einer Gruppe gemeldet, in der alle ein Jahr älter und größer sind als wir. Das musste er tun, weil sonst Marlon nicht mitspielen dürfte. Ja, und deshalb brauchen wir dich. Ohne dich ist unsere Abwehr ein Schweizer Käse.“
Mit diesen Worten kamen wir bei den anderen an, und sofort hafteten die Blicke aller Wilden Kerle auf mir. Aber das war noch nicht alles. Ich spürte auch die anderen Augen, und die brannten wie Feuer. Der Boden unter meinen Füßen wurde ganz heiß, und ich begann, wie auf einer heißen Herdplatte zu tanzen.
Ich fühlte mich elend, aber der Dicke Michi fand Gefallen daran. Zufrieden stand er am Rand des Pausenhofs unter den Bäumen und starrte mich an.
„Hey! Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Vanessa wie gestern Abend auf Camelot, und ich wich ihr ein zweites Mal aus.
„Wie bitte? Natürlich. Was soll denn schon sein?“
„Wirklich? Bist du dir
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