Julia Ärzte zum Verlieben Band 47
nicht die Übersicht über die Raupenbeine zu verlieren. Sie hatte schmale Hände mit schlanken, feingliedrigen Fingern, die zu ihrem berückend schönen Körper passten.
Ein Körper, der ihn mehr und mehr reizte. Andrew wusste, dass solche Gedanken gefährlich waren. Wenn er der Verlockung nachgab, würde er den gegenwärtigen, fast perfekten Zustand gefährden.
Sein Lächeln verblasste, als er sich plötzlich wünschte, die Vergangenheit ungeschehen machen zu können. Hätte er doch Alice damals mehr Aufmerksamkeit geschenkt! Aber er war auf Melissas Charme und ihre Schmeicheleien hereingefallen, und es hatte damit geendet, dass er sich schwor, nie wieder einer Frau zu vertrauen.
Allerdings – ohne Melissa hätte er auch Emmy nicht. Sie war sein Sonnenschein, der Mittelpunkt seines Lebens.
Nein, er durfte nichts tun, was Emmys Wohlergehen und Glück gefährdete. Wenn Alice wüsste, wie schwer es ihm fiel, seine Hände bei sich zu behalten, würde sie wahrscheinlich schleunigst das Weite suchen …
Oder? Manchmal hatte er den Eindruck, dass sie ähnlich empfand wie er. Zum Beispiel, wie sie ihn anlächelte, wenn er nach Hause kam. Oder wie sie zögerte, wenn es abends Zeit wurde, dass sie zurück in ihr Cottage ging. Oder der flüchtige Moment heute, als er vor ihrer Tür stand und erklärte, dass Emmy beim Einkaufen weibliche Gesellschaft wollte.
Vielleicht bildete er sich die unterschwellige erotische Spannung aber auch nur ein, weil er sich wünschte, dass da etwas war?
Wenn ja, dann war er ein Dummkopf. Seine Lektion war schmerzhaft genug gewesen, und es gab keine Garantie, dass eine Beziehung ewig hielt. Und wenn er etwas anfing und Alice doch wieder aus seinem Leben verschwand, würde alles nur noch schlimmer werden. Nicht nur für ihn, sondern auch für Emmy.
In den letzten Wochen hatte sie solche Fortschritte gemacht. Mit jedem Tag schien sie selbstbewusster und sicherer zu werden. Sie wusste genau, was sie wollte, auch was ihre Kleidung betraf.
„Ich will eine Jeans haben“, verkündete sie jetzt. „So eine wie Alice. Und Stiefel.“
„Stiefel?“
„Ja, die mit dem Stretchgummi an den Seiten.“
„Jodhpur-Stiefel“, erklärte Alice. „Auf der Farm sind sie ausgesprochen praktisch.“
„Vielleicht später, Emmy. Wir müssen erst etwas Passendes für die Schule finden.“
„Ich will aber in der Schule Stiefel anziehen.“
„Nein“, antwortete Andrew bestimmt. „Schuhe für die Schule. Stiefel für zu Hause.“
„Also kriege ich Stiefel?“
Hilflos blickte Andrew Alice an und erntete ein vielsagendes Lächeln. „Nicht weit von hier gibt es ein Reitsportgeschäft. Sie verkaufen auch Stiefel.“
Und nicht nur Stiefel. Emmy entdeckte ein Regal mit Reithosen in Kindergröße und bettelte so flehentlich, dass ihr Vater sich schnell geschlagen gab.
„Gut, warum nicht? Schließlich sitzt du in letzter Zeit ziemlich oft auf Ben.“
Die Verkäuferin brachte eine Jodhpur-Hose, die an den Innenseiten und auf der Gesäßseite mit weichem Wildleder besetzt war.
„Dann rutschst du nicht so leicht vom Sattel“, erklärte sie Emmy und half ihrer kleinen Kundin zwei Minuten später auch in braune, weich schimmernde Reitstiefeletten.
„Wie heißt dein Pony denn?“, fragte sie schließlich.
„Ich habe kein Pony“, antwortete Emmy mit bedauernder Miene. „Ich sitze nur auf Ben, der ist viel zu groß für mich zum Reiten.“
Die junge Verkäuferin blickte Andrew an. „Falls Sie Interesse haben, ich kenne zufällig jemanden, der sein Pony verkaufen möchte. Es ist für Anfänger genau das Richtige.“
„Nein, vielen Dank.“
„Oh ja, bitte!“, rief Emmy gleichzeitig begeistert.
Die Verkäuferin lächelte Alice an. „Die Anzeige liegt vorn an der Kasse. Vielleicht gibt Mummy ja die entscheidende Stimme ab?“
Stille breitete sich aus, und die Verkäuferin wurde rot, als sie begriff, dass sie einen Fauxpas begangen haben musste.
Andrew stand stumm da. Er wagte es nicht, Alice anzusehen.
Nur Emmy blieb völlig unbekümmert. „Ich hab keine Mummy“, sagte sie. „Sie ist tot.“
„Oh …“ Die Ärmste wusste nicht, wo sie hinsehen sollte. „Das tut mir sehr leid.“
Andrew hielt den Atem an. Die junge Frau hatte wie alle anderen reagiert, und anfangs hatte er damit recht gut umgehen können. Er hatte getrauert wie jeder Witwer – um seine gescheiterte Ehe und weil seine Tochter ohne Mutter aufwachsen musste.
Aber diese Trauer war schon da gewesen, als Emmy geboren
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