Julia Bestseller Band 142
„Sie hat es verloren?“
Rafael betrachtete sie mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit. Grace’ Gefühle trieben so dicht unter der Oberfläche. Alles, was sie fühlte, spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
„Es gab kein Baby, das verloren werden konnte.“ Er umklammerte sein Weinglas so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Währenddessen zwang er sich zu einem dünnen Lächeln. „Du siehst, Grace, auch der größte Zyniker kann übertölpelt werden.“
„Sie hat gelogen, damit du sie heiratest?“ Mitgefühl schimmerte in ihren Augen. Und es lag noch etwas anderes, etwas Wärmeres darin, das sich wie Balsam auf seine gereizten Nerven legte. „So sehr hat sie dich geliebt?“
Ganz offensichtlich funktionierte Grace Thackers Verstand anders als der anderer Menschen. Rafael verspannte sich wieder. „Sie hat mich überhaupt nicht geliebt.“
„Aber wenn sie …“
„Mit einem Milliardär verheiratet zu sein bringt gewisse Vorteile mit sich.“
„Du glaubst, sie hat dich des Geldes wegen geheiratet.“
„Ich weiß, dass sie es aus diesem Grund getan hat.“ Er musterte sie eindringlich. „Weswegen denn sonst?“
„Glaubst du tatsächlich, du hättest einer Frau außer Geld nichts zu bieten?“ Sie klang aufrichtig schockiert.
Er hörte deutlich die Bitterkeit in seinem eigenen Lachen. „Nein. Offenbar kann ich auch im Schlafzimmer überzeugen. Nachdem ich die Beziehung beendet und die Abfindung gezahlt habe, machte meine Exfrau mehr als deutlich, dass sie den Sex mit mir nicht aufgeben wollte. Natürlich geschah das, nachdem sie ihre Geschichte an die Presse verkauft hatte.“
„Sie hat mit einem Reporter gesprochen …“
„Sie reden alle mit den Medien“, entgegnete Rafael, ohne sich noch länger zu bemühen, die Verbitterung aus seinem Tonfall zu halten. „Das ist eine zusätzliche lukrative Einkommensquelle für meine Exfreundinnen und meine Exfrau.“
Nach kurzem Schweigen sagte Grace mit aufgesetzter Fröhlichkeit: „Nun, deine Exfrau scheint ein ganz besonderer Mensch zu sein. Vielleicht sollten wir sie meinem Vater vorstellen. Die beiden würden sich bestimmt gut verstehen. Aber das war nur eine Beziehung, Rafael. Warst du nie versucht, es ein zweites Mal zu probieren?“
„Eine Ehe, nein. Sex …“, er hob sein Glas und prostete ihr zu, „… ja. Ziemlich oft sogar.“
Sie errötete. „Mir ist bewusst, dass du in dieser Hinsicht sehr erfahren bist. An Ehe und Sex habe ich allerdings gar nicht gedacht. Ich habe von Liebe gesprochen.“
„Rede nicht mit mir über Liebe, Grace. Nie wieder.“ Er sah, wie sie zusammenzuckte. „Alle Beziehungen basieren auf Gier. Der eine besitzt, was ein anderer will.“
„Nicht jeder ist wie deine Exfrau.“
„Die Welt ist voll von Menschen wie meine Exfrau.“
„Glaubst du das wirklich?“ Jetzt hatte sich ein Feuer in ihre Stimme geschlichen, Grace’ blaue Augen blitzten. „Du bist ein unglaublich intelligenter Mann. Lässt du wirklich zu, dass ein paar habgierige Freundinnen dein Verhältnis zu Frauen ruinieren?“
Nicht nur ein paar habgierige Freundinnen.
Etwas Dunkles und Unbehagliches regte sich in ihm. So unversehens mit den finsteren Tiefen seiner Seele konfrontiert, die er normalerweise rigoros ignorierte, spannte er die Armmuskeln an.
Unter Grace’ anklagendem Blick verspürte er auf einmal das Bedürfnis, ihr alles anzuvertrauen, nur um ihre Anerkennung zurückzugewinnen. Aber was kümmerte ihn ihre Meinung? Ihm war doch sonst gleichgültig, was andere über ihn dachten.
Plötzlich entwickelte sich etwas zwischen ihnen. Beharrlich weigerte er sich, in der vibrierenden Macht mehr zu sehen als körperliche Anziehung, und setzte ein dünnes Lächeln auf.
„Was war noch die Frage? Ob ich meine Ansichten über Menschen von den Erfahrungen mit einigen Exfreundinnen abhängig mache? Die Antwort lautet Ja, Grace.“ Mit einer spöttischen Geste hob er sein Glas. „Und du brauchst kein Mitleid mit mir zu empfinden. Ich bin nämlich genauso schlecht wie der Rest der Welt. Vielleicht solltest du weglaufen, solange du noch kannst.“
Ihre Lippen öffneten sich ein wenig, ihre Atmung beschleunigte sich. „Ich laufe nicht weg. Und ich denke, du liegst mit deiner Selbsteinschätzung komplett falsch. In dir steckt so viel mehr, als du glaubst.“
Sie ist eine gnadenlose Optimistin, dachte er. Kein Wunder, dass sie oft im Leben verletzt worden ist, wenn sie sich so sehr darum bemüht, das Gute in
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