Julia Bestseller Band 146
richtete er seine Aufmerksamkeit auf das schuldige Paar. Die ernsten Finanzfragen, die er Rico eigentlich hatte stellen wollen, waren vergessen. „Ich bin fertig mit dir, Rico“, schrie er den jüngeren Mann an. „Zieh dich an und dann verschwinde von hier, bevor ich dich aus dem Gebäude werfen lasse. Und nimm deine Schlampe mit!“
Damit knallte er die Tür zu und rannte hinter Natasha her. Gleichzeitig empfand er ein seltsames Gefühl der Zufriedenheit, weil ihm so unverhofft ein Grund geliefert worden war, Rico aus seinem Leben zu verbannen.
Die Türen des Lifts schlossen sich, bevor er ihn erreicht hatte. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen hastete Leo zur Treppe. Im nächsten Stockwerk gab es zwei weitere Aufzüge, nur das oberste wurde von einem einzigen bedient. Er warf einen raschen Blick auf die Anzeigen, um zu sehen, wohin Natasha wollte. Dann eilte er in die wartende Kabine und drückte auf den Knopf für die Tiefgarage.
Unten angekommen, schaute er sich kurz um. Natashas Mini leuchtete wie ein roter Punkt in einer trüben Welt aus modernem Silbergrau und Schwarz. Sie stand vor ihrem Fahrzeug, die Hände auf das Dach gestützt. Ihre Schultern bebten. Vielleicht weint sie, überlegte er. Doch als er näher kam, sah er, dass sie sich übergeben hatte.
„Ist schon gut …“, murmelte er und legte seine Hände auf ihre Schultern.
„Rühr mich nicht an.“ Sie zuckte zurück.
„Ich bin nicht Rico“, verteidigte er sich.
Natasha wirbelte herum und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
Überrascht machte Leo einen Schritt nach hinten. Natasha zitterte. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie jemanden geschlagen!
Plötzlich traf sie eine neue Welle der Übelkeit, und sie musste sich wieder am Dach ihres Wagens festhalten.
Rico und Cindy … wie konnte er ihr das nur antun?
Wie konnte sie ihr das nur antun?
Warme Hände legten sich abermals auf ihre Schultern. Diesmal zuckte sie nicht zusammen, sondern überließ sich der Trost spendenden Geste.
Leo hielt sie fest, als sie nach einem Taschentuch suchte. Er spürte, wie sie zitterte. Sie hatte den Kopf gesenkt und entblößte einen eleganten Nacken. Wieder durchströmte ihn das süße Ziehen, und er wandte den Blick rasch ab.
Was sollte er jetzt tun? Sie war nicht sein Problem, meldete sich eine innere Stimme. Er hatte ein Meeting zu leiten, musste sich um ein ernsthaftes finanzielles Problem kümmern und anschließend ein Dutzend weiterer geschäftlicher Entscheidungen treffen, bevor er heute Abend zurück nach Athen flog.
Ein Mann trat unvermittelt aus den Schatten. Es war Rasmus, sein Sicherheitschef, der ihn neugierig musterte. Leo schüttelte nur den Kopf, woraufhin der andere Mann wieder mit der Dunkelheit verschmolz.
Dann dachte er daran, Natasha wieder zurück in sein Büro zu bringen, damit sie sich beruhigte. Allerdings konnte er sich nicht sicher sein, dass ihm das gelang, ohne dass jemand – Rico oder ihre Schwester – sie dabei sah, und es zu einer weiteren unschönen Szene kam.
„Geht es wieder?“, fragte er, als ihr Zittern ein wenig nachließ.
Sie nickte kurz. „Ja, danke“, flüsterte sie.
„Jetzt ist nicht die Zeit für Höflichkeiten, Natasha“, sagte er ungeduldig.
Abrupt entzog sie sich ihm. Sie hasste ihn, weil er Zeuge ihres Untergangs geworden war. Ein Foto zu bekommen, das Rico in den Armen einer Anderen zeigte, war eine Sache. Aber ihn beim Sex mit ihrer eigenen Schwester zu überraschen, war etwas ganz anderes.
Allein der Gedanke löste eine neue Woge der Übelkeit aus. Natasha rang um Selbstkontrolle und kramte in ihrer Handtasche nach den Wagenschlüsseln. In dem Mini befand sich eine Flasche Wasser. Am liebsten wäre sie in den Wagen gesprungen und einfach davongefahren. Doch dazu war sie nicht in der Verfassung.
Als sie sich wieder mit der Flasche in der Hand aufrichtete, musste sie zur Seite ausweichen, um nicht in das Fiasko zu treten, das sie auf dem Boden hinterlassen hatte. Leo verhielt sich wenig hilfreich und bewegte sich keinen Millimeter. Natasha schob sich an ihm vorbei, wobei sie unweigerlich seinen Körper streifte. Die Berührung glich einem elektrischen Schlag. Natasha presste sich gegen die Seitenwand ihres Minis.
Mit gesenktem Blick löste sie den Verschluss der Flasche und trank einen Schluck. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Leo hingegen blieb einfach stehen, wie ein unheimlicher Schatten, und raubte ihr die Fähigkeit zu
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