Julia Bestseller Band 146
zum Teufel noch mal, dachte Leo wütend, kommt Rico auf die Idee, er könne mit einem so dilettantisch vorbereiteten Verbrechen unentdeckt davonkommen? Schließlich war es ein offenes Geheimnis, dass in unregelmäßigen Abständen unangekündigte Buchprüfungen durchgeführt wurden – nur so ließ sich ein multinationaler Konzern leiten.
Dieser arrogante Idiot! Reichte es ihm nicht, dass ihm dafür, dass er fast nichts leistete, ein ansehnliches Gehalt gezahlt wurde? Wieso glaubte er, er könne sich einfach so am Honigtopf bedienen?
„Wo ist er?“, fragte Leo, woraufhin alle Anwesenden ihre Köpfe abrupt hoben.
„In seinem Büro“, sagte Juno, seine persönliche Assistentin. „Er wurde über dieses Meeting informiert, Leo“, fügte die junge Frau rasch hinzu, falls Leo auf den Gedanken kam, Rico könne glauben, er sei zu dem Treffen nicht erwartet worden.
Sein Stiefbruder war ein Schmarotzer. Es verstand sich von selbst, dass die Mitarbeiter seiner Firmen Schmarotzer nicht mochten. Leo brauchte nur den Kopf zu heben, um in den Mienen der anderen Anwesenden seinen letzten Gedanken bestätigt zu sehen.
Theos! Wie sollte er diesen Fehltritt nur vertuschen, wenn so viele Menschen Bescheid wussten und insgeheim Ricos Kopf forderten?
Wollte er es denn überhaupt vertuschen? Die Antwort, musste Leo sich eingestehen, lautete Ja. Es zu vertuschen war ihm lieber, als sich mit den Konsequenzen der Wahrheit zu befassen.
Ein Dieb in der Familie.
Heiße Wut brandete in ihm auf. Mit einer abrupten Handbewegung schlug der das Dossier zu und stand auf.
Juno sprang ebenfalls auf. „Ich gehe und …“
„Nein“, fiel Leo ihr ins Wort. „Ich selbst werde gehen und ihn holen.“
Eine seltsame Unruhe durchlief die anderen Anwesenden, als Juno sich wieder setzte. Wäre Leo in der richtigen Stimmung gewesen, hätte er vielleicht die vielsagenden Blicke bemerkt, die sich seine Mitarbeiter verstohlen zuwarfen, aber natürlich hatte er keine Augen dafür.
Ebenso wenig schaute er zur Seite, während er das vornehme Foyer des Londoner Christakis-Büros durchquerte. Sonst hätte er sehen können, wie sich in diesem Moment die Türen des Lifts öffneten.
Er war zu sehr damit beschäftigt, den plötzlichen Herzinfarkt zu verfluchen, der seinen geliebten Vater vor zwei Jahren das Leben gekostet hatte, und der ihm die missliche Aufgabe übertragen hatte, den Babysitter für die beiden lästigsten Menschen, die er kannte, zu spielen: Das waren seine neurotische, aus Italien stammende Stiefmutter Angelina und ihr kostbarer Sohn Rico Giannetti.
Warum schafft mir nicht jemand die verweichlichten Playboys mit ihren überängstlichen Müttern vom Hals, ging es Leo durch den Kopf. Er sehnte den Tag herbei, an dem Rico endlich seine leichtgläubige Braut heiraten und ein neues Leben in Mailand beginnen würde.
Das hieß natürlich, falls es ihm gelang, Rico aus diesem Schlamassel zu befreien, ohne dass sein eigener Ruf oder der der Firma Schaden nahm. Ansonsten würde Rico nirgendwohin gehen, außer ins Gefängnis.
Was würde Natasha tun, wenn sie jemals herausfand, dass sie einen Dieb geheiratet hatte?
Warum sein Stiefbruder überhaupt entschieden hatte, Miss Steif und Prüde Natasha Moyles zu heiraten, blieb Leo ein Rätsel. Sie entsprach so gar nicht dem dürren Starlet, das Rico sonst bevorzugte. Im Gegenteil besaß sie eine perfekte Sanduhrfigur, mit langen Beinen und fantastischen Kurven, die sie allerdings durch ihren lausigen Kleidergeschmack völlig ruinierte. Und sie verhielt sich kalt und höflich und reserviert – zumindest in Leos Gegenwart.
Weshalb Natasha sich ausgerechnet in einen Tunichtgut wie Rico verlieben musste, war ein weiteres Rätsel, das Leo nicht begriff. Gegensätze ziehen sich an? Oder legte sie ihre kühle und steife Haltung bei Rico ab?
Vielleicht wurde sie im Schlafzimmer zu einer Sexgöttin. Denn in ihr steckte auf jeden Fall das Potenzial einer wilden und hemmungslosen Sexgöttin. Weiche weibliche Gesichtszüge, große blaue Augen und ein sinnlicher sexy Mund, der geradezu darum flehte, geküsst zu werden.
Theos , fluchte Leo abermals, als ein vertrautes süßes Verlangen sich tief in seinem Inneren bemerkbar machte. Allein die Erinnerung an Natasha Moyles’ Mund hatte, seit er sie das erste Mal gesehen hatte, diese Wirkung auf ihn ausgeübt.
Zur gleichen Zeit trat – von ihm unbeachtet – die Frau seiner Träume aus dem Lift.
Natasha blieb wie angewurzelt stehen, als sie die
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