JULIA COLLECTION Band 15
du neugieriger Bengel. Ideen, die dich nichts angehen.“
Ben seufzte, gab auf und verabschiedete sich von seiner Tante mit einem Kuss auf die Wange.
Das Tapezieren verlief wesentlich einfacher als die Deckenbemalung, stellte Kathleen fest, als sie eine Pause einlegte und sich ihr Werk ansah.
Die Wände waren schon fast fertig, aber Ben und Destiny hatten ernsthafte künstlerische Differenzen. Es ging um die Frage, ob in der Märchenszene an der Decke ein Ungeheuer vorkommen sollte oder nicht.
„Ich will, dass das Kind nur schöne Dinge sieht.“ Destiny stemmte die Hände in die Hüften und sah Ben finster an.
„Aber das Leben ist nicht nur schön“, wandte er ein. „Und in Märchen gibt es nun mal Ungeheuer.“
„Das braucht ein Neugeborenes noch nicht zu wissen“, widersprach Destiny heftig. „Hör mal, Ben, wir malen keine Kulisse für ein Lehrstück mit einer Moral!“
„Außerdem wirst du nicht hier sein, um das Kind wieder zum Einschlafen zu bringen, wenn es wegen eines Ungeheuers Albträume hatte“, warf Melanie ein.
Destiny nickte. „Also?“, fragte sie Ben herausfordernd.
„Schon gut, schon gut, du hast gewonnen. Kein Ungeheuer. Aber müssen denn alle Tiere dermaßen glücklich aussehen?“
„Ja!“, erwiderten Destiny und Melanie wie aus einem Mund.
„Du bist überstimmt, Kamerad“, sagte Kathleen lächelnd zu ihm. „Gib auf, und male dort in der Ecke noch ein fröhliches Wesen, vielleicht ein Entenmädchen.“
„Also gut, eine Ente!“
„Er wirkt leicht gereizt“, stellte Melanie vergnügt fest.
„Ich bin von starrsinnigen, dickköpfigen Frauen umgeben“, erwiderte Ben. „Was erwartest du da?“
„Ein besseres Benehmen und freundlichere Ausdrücke“, antwortete Destiny.
„Vielleicht hilft ein Blaubeertörtchen“, schlug Kathleen vor. „Ich glaube, es ist noch eins da.“
„Wirklich?“, fragte Ben so eifrig, dass die drei Frauen lachten.
Kathleen schüttelte den Kopf. „Nur gut, dass ich zeitig genug aufgewacht bin, um noch zu backen.“
Im Vorbeigehen küsste er sie rasch auf den Mund. „Das war sehr gut, sonst müsste ich euch alle aussperren und die Decke mit Bällen und Baseballmützen bemalen, um meine Identität als Mann nicht zu verlieren.“
„Wenn es ein Junge wird, kannst du das machen, sobald er sechs ist“, bot Melanie ihm zum Trost an.
„Sechs?“, erwiderte Ben. „Spätestens, wenn er vier wird, sonst trägt er von diesen vielen glücklichen Gesichtern einen Schaden fürs Leben davon. Ein Junge braucht richtiges Zeug für Männer.“ Er wandte sich lächelnd an Destiny. „Weißt du noch? Als du zu uns gekommen bist, hast du an die Wände meines Zimmers alle möglichen Sportszenen gemalt. Das ist mir gerade wieder eingefallen.“
„Ich fand, das Zimmer bräuchte eine persönliche Note“, verteidigte Destiny sich. „Richard war mit seinen sterilen Wänden völlig zufrieden, und Mack hatte schon überall Poster aufgehängt. Deine Wände waren leer.“ Sie lächelte Kathleen zu. „Lange hat das allerdings nicht gehalten. Innerhalb eines Jahres hat er meine Bilder mit Dschungelwesen übermalt. Ich musste mit ihm wenigstens einmal in der Woche den Zoo von Washington besuchen und Fotos machen, die er als Vorlage für seine Bilder benützt hat.“
„Dafür, dass ich noch ein Kind war, waren sie gar nicht schlecht“, meinte Ben.
Kathleen hätte seine frühen Bilder gern gesehen. Wahrscheinlich hatte er damals schon Talent gezeigt. „Vermutlich sind diese Bilder längst übermalt.“
„Eigentlich nicht“, erwiderte Destiny zufrieden.
„Was soll das heißen?“, fragte Ben überrascht. „Die Bilder sind weg. Ich habe erst letzte Nacht in dem Zimmer geschlafen. Die Wände sind weiß.“
„Diese Wände schon“, bestätigte Destiny. „Sieh mich nicht so finster an. Ich habe die ursprüngliche Wandtäfelung nicht überstreichen, sondern ersetzen lassen. Die Originale befinden sich im Keller.“
„Das ist nicht dein Ernst“, rief Ben entsetzt. „Warum hast du das getan?“
„Weil ich schon damals gewusst habe, dass du eines Tages berühmt sein würdest, und dann kann eine Galerie die frühen Werke des Künstlers zeigen“, erklärte Destiny.
„Könnte ich sie sehen?“, drängte Kathleen.
„Das liegt an dir“, sagte Destiny zu Ben.
„Ach, tatsächlich?“, fragte er scheinbar höchst erstaunt.
„Stell dich nicht so dumm an“, tadelte Destiny. „Es sind schließlich deine Arbeiten.“
„Ich schlage dir etwas
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