Julia Collection Band 55 (German Edition)
vergoldeten Stuck der Decken, modernisiert worden war. „Modernisieren“ war das Lieblingswort des neuen Direktors, welches er oft und gern in seinen Rundschreiben an die Angestellten benutzte. Leider verlor das Kaufhaus dadurch auch seine gemütliche, familiäre Atmosphäre. Die Werbung in den Medien war ebenfalls moderner geworden, obwohl Jennifer sie eher als aufdringlich empfand. Wahrscheinlich gehörte das Spektakel im Schaufenster auch zu diesem neuen Stil, und dafür war niemand anders als Charles verantwortlich.
Jasper war zwar ein Exzentriker, aber er war durchaus bodenständig geblieben. Er war der Typ Mann, der seine Autorität nicht durch Geld, sondern durch seinen Charakter erworben hatte. Seit Jahrzehnten war er mit der gleichen Frau verheiratet, die in ihrem Anwesen in Kenilworth Orchideen züchtete, von denen sie den Angestellten je eine zum Geburtstag zu schenken pflegte. Jasper glaubte an altmodische Werte wie Rechtschaffenheit und Höflichkeit und daran, dass der Kunde König war. Und er glaubte an harte Arbeit, da er sich seinen Reichtum selbst hart erarbeitet hatte, seit er mit seinem Bruder vor vierzig Jahren einen kleinen Handel von der Ladefläche eines Lastwagens begonnen hatte. Exzentrische Kleidung, Sportwagen und aufregende Partys, der Lebensstil eines Playboys eben, waren niemals seine Sache gewesen.
Sein Sohn Charles war da ein völlig anderes Kaliber.
„Ich halte jede Wette, dass diese Idee von Charles kommt“, bemerkte Jennifer später zu Trudy Hargrove. Wie gewöhnlich war Jennifer sehr zeitig zur Arbeit erschienen. „Er hat so einen merkwürdigen Humor. Genau wie damals diese blöden Nachrichten, die er mir auf mein Kassendisplay gespielt hat.“
Es war an ihrem Geburtstag gewesen, als plötzlich ein Happy Birthday, Jennifer ! auf dem Schirm ihrer neuen Computerkasse aufgeblitzt war. Eine Woche später war die nächste Nachricht gekommen. Meinem Rechner juckt es am Rücken, könntest du ihn bitte kratzen? Sie hatte keine Ahnung gehabt, wie sie diese Nachricht von ihrem Bildschirm löschen konnte, also war ihr nichts anderes übrig geblieben, als darauf zu warten, dass sie von selbst verschwand, bevor sie weiterarbeiten konnte. Sie wusste, dass die Nachrichten von Charles kamen, da er der Einzige im ganzen Kaufhaus war, der den Zugang zum Zentralcomputer besaß.
„Ich glaube, du hast recht“, stimmte Trudy zu, während sie die Anzeige in der Zeitung überflog. Sie war Ende vierzig, ebenso sachkundig wie attraktiv und als Leiterin der Haushaltswarenabteilung Jennifers Chefin. „Er war ein ganz schöner Kasper, als er bei uns gearbeitet hat. Und ich glaube nicht, dass sich daran etwas geändert hat, seit er Direktor geworden ist.“
Charles hatte Anfang des Jahres ein viermonatiges Praktikum in der Haushaltswarenabteilung absolviert. In den letzten drei Jahren hatte er in sämtlichen Abteilungen gearbeitet. Er hatte allen Mitarbeitern begeistert erzählt, dass er das Geschäft von der Pike auf lernen wolle, da er es ja einmal übernehmen würde. Vielleicht wollte er aber damit auch nur seinen Vater beeindrucken.
Nun war aber der Tag der Geschäftsübernahme schneller gekommen, als alle erwartet hatten. Charles war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal einunddreißig Jahre alt, und viele der älteren Mitarbeiter beklagten, dass er noch viel zu unstet für diese Position sei. War es wirklich eine kluge Entscheidung von Jasper gewesen, die gesamte Geschäftsführung seinem jüngsten Sohn zu übertragen?
Trudy zog langsam eine ihrer perfekt nachgezogenen Augenbrauen hoch. „Die Frage ist also, welche von den Angestellten für das Schaufenster ausgewählt werden?“
„Gibt es schon neue Gerüchte?“, fragte Jennifer. „Ich habe nämlich das ungute Gefühl, dass es mich treffen wird.“ Sie erzählte Trudy von ihrer seltsamen Begegnung mit Jasper Derring und Mr James.
„Ich habe von Grace aus der Kosmetikabteilung gehört, dass sie Mr James die Woche vor Weihnachten einen speziellen Job gegeben haben.“
Jennifer klammerte sich an einen Strohhalm. „Dann bin ich wohl draußen. Ich habe ihm gesagt, dass ich Make-up verabscheue.“
Trudy lächelte. „Wenn wir nur alle so gut ohne Schminke aussehen würden wie du! Du würdest im Schaufenster eine gute Figur abgeben.“
„Danke, aber ich wollte niemals ein Model werden, das sich in einem Schaufenster anstarren lässt.“ Jennifer steckte sich ihr Namensschild an das Revers ihrer Jacke. „In der Anzeige ermutigen sie
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