Julia Exklusiv 0180
Kugelschreiber trug sie sowieso stets bei sich. Davon brauchte ihr Bruder jedoch nichts zu wissen.
Tim lachte. „Ich hatte vergessen, dass Mum uns immer daran erinnert hat.“ Er nahm ihren Arm und half ihr, in den Rangerover einzusteigen.
„Wie weit ist es denn?“
„Ach, hinter den Stallungen sind es nur noch zwei, drei Kilometer. Jenseits der Hügel befindet sich ein flacher Landstrich, eine ideale Rennstrecke.“ Tim verzog das Gesicht, weil sie über unebenen Boden fuhren. „Entschuldige das Geholper. Der Emir hat eine zweispurige Straße bauen lassen, die aus der Stadt führt, aber hier kommen wir sehr viel schneller ans Ziel.“
„He, Tim Fenton, du vergisst anscheinend, dass neben dir eine hartgesottene Frontreporterin sitzt. Ein paar Schlaglöcher werden mir nicht gleich … Oh, sieh mal!“
Ein reiterloses helles Pferd sprang von einem niedrigen Felsvorsprung und landete mit fliegender Mähne vor ihnen. Dann bäumte es sich vor dem Wagen auf. Tim riss das Lenkrad herum und versuchte, dem Tier auszuweichen, dabei geriet der Wagen ins Schleudern und schien auf dem lockeren Kiesboden überhaupt nicht mehr zum Stehen zu kommen.
„Das ist eins von Abdullahs Pferden“, erklärte Tim, als er den Rangerover endlich unter Kontrolle hatte. „Das wird Ärger geben …“ Sobald das Fahrzeug stand, riss er die Tür auf und sprang hinaus. „Entschuldige, aber ich muss versuchen, es einzufangen.“
„Kann ich dir helfen?“ Rose drehte sich zu Tim um, der bereits die Heckklappe öffnete und ein Seil herausnahm.
„Nein. Aber du kannst über Autotelefon bei den Stallungen anrufen. Sie sollen einen Pferdetransporter herschicken.“
„Wohin?“
„Sag einfach, wir sind zwischen der Villa und den Stallungen. Sie finden uns schon.“
Die Innenbeleuchtung ließ sich nicht einschalten. Rose bediente den Schalter, doch nichts geschah. Sie zuckte die Schultern und nahm den Hörer des Autotelefons ab, aber es ertönte kein Freizeichen. Na toll, dachte sie. Kurz entschlossen nahm sie ihr neues Handy aus der Handtasche, das Gordon in die Tasche mit dem Buch und den Zeitungsausschnitten geschmuggelt hatte. Es war klein, aber leistungsstark und hatte unzählige Funktionen. Trotzdem erschien es ihr zu unsicher, die Knöpfe im Dunkeln zu drücken. Also glitt sie vom Sitz, um das Handy im Scheinwerferlicht zu begutachten. Kaum hatte sie mit den Füßen den Boden berührt, erloschen die Scheinwerfer.
In einiger Entfernung konnte sie ihren Bruder beruhigend auf das nervöse Pferd einreden hören, das mit den Hufen auf dem holprigen Boden scharrte und sich tänzelnd entfernte. Dann verstummten auch diese Geräusche unvermittelt, weil das edle Tier auf Sand geraten war.
Im Schatten des Felsvorsprungs war es jetzt ganz still und dunkel. Der Mond schien nicht, aber die Sterne funkelten, und der Sand schimmerte schwach. Alles andere war pechschwarz.
Ein Schatten löste sich aus dem Dunkel.
„Tim?“
Doch es war nicht ihr Bruder. Noch ehe Rose sich umdrehte, wusste sie, dass sie jemand anders vor sich hatte. Tim hatte schwach nach Aftershave geduftet und trug ein helles Jackett. Soweit sie feststellen konnte, hatte dieser Mann sich nicht parfümiert und war von Kopf bis Fuß in ein langes schwarzes Gewand gehüllt. Selbst das Gesicht wurde von einer schwarzen Keffiyeh verhüllt, die nur die Augen frei ließ.
Sie brauchte nur diese Augen zu sehen.
Es war Hassan. Obwohl sie vor Schreck erstarrte und Panik in ihr aufstieg, erkannte Rose ihn. Doch das war nicht der weltmännische Prinz, der den Privatjet in einem teuren italienischen Anzug betreten hatte.
Vor ihr stand der Mann, dessen graue Augen gefährlich funkelten und denen nichts entging. Und etwas sagte ihr, dass er sie nicht fragen würde, ob sie Hilfe brauche.
Ehe sie sich umdrehen und fliehen oder Tim wenigstens eine Warnung zurufen konnte, legte Hassan ihr die Hand auf den Mund. Mit dem freien Arm hob er sie hoch und drückte sie so fest an sich, dass der Dolch an seiner Taille gegen ihre Brust drückte.
Zwar hatte sie einen Kurs in Selbstverteidigung absolviert, aber das war bei dem Mann ganz offensichtlich auch der Fall. Er kannte alle Griffe. Rose konnte ihre Ellbogen nicht bewegen, und da sie in der Luft schwebte, fand sie mit den Füßen keinen Halt, um zum Gegenangriff übergehen zu können. Nicht, dass sie damit sehr weit gekommen wäre. Selbst wenn sie es geschafft hätte, sich zu befreien, hätte sie nicht gewusst, wohin sie laufen sollte. Und
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