Julia Exklusiv Band 0194
attraktiv, hatte eine so starke Ausstrahlung, wie sie es noch nie bei einem Mann erlebt hatte.
„Kleine Nymphe“, sagte er plötzlich, „ja, Sie wirken wie eine Nymphe. Werden wir uns jemals wiedersehen, um über Schwäne und alte Gemäuer zu sprechen? Glauben Sie, dass es möglich wäre?“
Anita hielt das für absolut unmöglich, und es machte sie traurig.
„Ich werde Sie im ‚Hamlet‘ bewundern“, antwortete sie leise.
„Ja, kommen Sie, erleben Sie mich in meiner Maskerade, kleine Nymphe.“
Tarquin Powers wandte sich um und ging mit großen Schritten in das Theater zurück. Ihr gemurmeltes „Auf Wiedersehen“ hatte er wohl nicht mehr gehört.
Da stand sie nun und fühlte sich verlassener als zuvor. Schnell rief sie Taffy zu sich, der auch brav auf sie zukam. Ohne Schwierigkeiten ließ er sich an die Leine nehmen. Sie machten sich auf den Heimweg.
Anita lebte bei ihrem Stiefvater und dessen Tochter in einem großen alten Steinhaus mit einer riesigen Terrasse. Es gab ein paar Hausmädchen, einen Diener und eine Köchin. In der Garage standen ein Jaguar und zwei weitere Wagen. Neben der geräumigen Halle lag der Salon, der groß genug war, um bis zu hundert Gäste zu beherbergen bei Partys, wie ihre Stiefschwester sie liebte.
In etwa einer Woche sollte wieder ein Fest gefeiert werden, ein Maskenball dieses Mal, denn Charme hatte Geburtstag.
Vor dem Haus wandte sich Anita noch einmal um. Sie sah das Theater und den schimmernden Fluss. Sie hatte tatsächlich diesen schönen Mann, den Menschen kennengelernt, der hinter der leidenschaftlichen „Othello“-Figur steckte.
Merkwürdig, dass man immer dachte, Schauspieler mussten anders sein als gewöhnliche Menschen. Auf der Bühne wirkten sie so unverwundbar wie Götter. Doch in Wirklichkeit hatten auch sie ihre Probleme, lebten mit ihren Ängsten und ihrer Verletzlichkeit. Vielleicht waren sie sogar einsam. Anita hatte in den schönen grauen Augen des Tarquin Powers diese gewisse Traurigkeit gesehen.
Das Haus der St. Cyrs lag etwas abseits der Straße hinter einer parkartigen Anlage. Eine halbrunde Auffahrt führte zu dem großen Gebäude. Der ganze Besitz strahlte Vornehmheit und Reichtum aus. Dennoch hatte sich Anita hier nie sehr zu Hause gefühlt, auch als ihre Mutter noch lebte. Melisande Terrace war ihr immer viel zu stilisiert gewesen, hatte zu viel geschäftlichen Erfolg und neuen Reichtum ausgestrahlt.
Sie wollte gerade die Haustür öffnen, als ein Wagen die Auffahrt heraufkam.
Ein junger Mann sprang heraus und öffnete die zweite Tür. Ihre Schwester Charme stieg lächelnd aus. Ein Lächeln, das sie für gutaussehende männliche Wesen immer bereit hatte.
„Kommst du noch auf einen Drink mit hinein, Simon?“, fragte Charme. „Als Dankeschön, dass du mich zum Einkaufen gefahren hast.“
„Nichts würde ich lieber tun, Liebling“, erwiderte der junge Mann, „aber ich muss mich wenigstens noch eine Stunde in der Fabrik zeigen, sonst wirft mich Vater hinaus!“
Charme lachte munter. „Na gut, dann bis heute Abend auf der Party bei den Castles.“
„Ich hole dich ab, Charme.“ Der hübsche Playboy nahm ihre Hand und küsste sie galant.
Charme war die unbestrittene, residierende Schönheit der kleinen Stadt Avendon. Der elegante Leopardenmantel, den sie trug, war allerdings mehr ein Symbol ihres Charakters. Doch Simon Fox konnte sich das bestimmt nicht vorstellen.
Langsam kam sie die Stufen zur Tür hinauf. Taffy bellte ihr seinen Willkommensgruß entgegen.
„Hallo, mein Kleiner!“
Charme sprach zu dem Hund. Ihre Stiefschwester bedachte sie nur mit einem kühlen Blick auf das zerzauste rotbraune Haar.
„Du siehst wieder aus wie ein kleines Mädchen, Nita. Warum kannst du dich nicht ein bisschen schick machen? Dann würden dich nette junge Männer wie Simon vielleicht auch beachten.“
Anita grinste ein bisschen schadenfroh. Was würde die Schwester wohl sagen, wenn sie wüsste, dass der berühmte Tarquin Powers mit ihr gesprochen und gefunden hatte, dass in ihren Augen ein verführerischer Zauber lag?
Anita schloss die Tür auf, und Charme eilte an ihr vorbei in die Halle. Sie ließ ihre Päckchen auf ein Sofa fallen, ging zu einem Bartisch und goss sich einen Drink ein. Anita lud sie nicht dazu ein. Eines der kleinen Zeichen, dass die jüngere Stiefschwester nicht allzu willkommen war in diesem Haus.
„Du weißt sehr gut, dass Papa und ich in der Stadt eine Rolle spielen, und du läufst herum wie ein armes
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