Julia Exklusiv Band 0194
hinaufgeeilt und in ihrem Zimmer verschwunden.
Der Freitag war ein anstrengender Tag für Anita. Es gab viele Touristen in der Stadt, und sie hatte ständig Kundschaft in ihrem Antiquitätengeschäft. Gegen Abend wanderte sie am Fluss entlang zu dem hübschen kleinen Speiselokal, der alten Mühle, um dort vor dem Theater eine Kleinigkeit zu essen.
Der Oberkellner führte sie zu einem Tisch am Fenster. Dort hatte sie einen guten Ausblick und saß gleichzeitig etwas geschützt. Als sie von der Speisekarte aufblickte, um zu bestellen, entdeckte sie an einem Nebentisch bekannte Gesichter. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Da saß Tarquin Powers. Kein anderer Mann hatte ein solches Profil, eine so stolze Haltung, und kein anderer Mann konnte ein solches weinrotes Samtjackett mit so viel selbstverständlicher Lässigkeit tragen.
Sie bestellte Steak und Salat und eine kleine Karaffe Wein. Während sie auf das Essen wartete, hatte sie Gelegenheit, den anderen Tisch zu beobachten. Neben Tarquin saß die hübsche, blonde Schauspielerin, die sie schon auf der Bühne gesehen hatte. Ein auf ihrer anderen Seite sitzender junger Mann neigte sich gerade zu ihr, um ihr eine Auster zu reichen. Tarquin lachte über die beiden. Vielleicht war er verliebt in die schöne Kollegin.
Dann kam ihr Essen. Sie nippte an dem Wein. Die Gäste am anderen Tisch zahlten. Beim Aufstehen blickte Tarquin zufällig in die Fensternische, wo Anita halb verborgen saß. Ihre Blicke trafen sich. Er erkannte sie sofort. Lächelnd kam er an ihren Tisch.
„Es ist tatsächlich die kleine Nymphe“, rief er, „die junge Dame mit dem Pudel.“
„Ja“, sagte sie leise. Ohne Taffy, den sie bei der ersten Begegnung wie einen Schutzschild vor sich gehalten hatte, war sie hilflos seinem Charme ausgeliefert. Verwirrt erlebte sie das Wunder, dass er sich an sie erinnerte und wieder mit ihr sprach.
„Essen Sie ganz allein?“ Tarquin hob erstaunt die Augenbrauen. „Sind Sie gern allein, kleine Nymphe?“
„Ich bin es gewohnt.“ Anita hoffte, es klang nicht zu traurig. „Außerdem finde ich es besser, allein zu sein, als unter Leuten, die völlig andere Interessen haben.“
„Ja, ich weiß sehr gut, was Sie meinen“, erwiderte er.
„Beeile dich, Quin“, rief die Schauspielerin und betrachtete Anita neugierig aus der Entfernung, während ihr Begleiter auf die Uhr schaute und etwas murmelte.
„Sie werden noch zu spät auf die Bühne kommen“, lächelte Anita und wusste plötzlich, es würde immer jemanden geben, der Tarquin von ihr fortrief.
„Haben Sie eine Karte für die heutige Vorstellung?“, fragte er.
„Natürlich. Ich möchte Sie als ‚Petrucchio‘ auf keinen Fall versäumen!“
„Hoffentlich haben Sie Spaß an dem Spiel.“ Er verneigte sich leicht. „Jetzt werde ich besser gehen, sonst wirft mir mein Bühnenkätchen noch Dinge an den Kopf, bevor ich die Bühne betrete. Au revoir, kleine Nymphe.“
„Adieu, Mister Powers.“
Tarquin wandte sich um und ging zu seinen Freunden zurück. Alle drei verließen schnell das Lokal.
Wieder spürte Anita die seltsame Einsamkeit. Sie trank ihren Wein und beendete die Mahlzeit. Eine Weile blickte sie noch aus dem Fenster. Noch immer sah sie sein Gesicht vor sich. Männlich mit fast asketisch schmalen Wangen, den leuchtenden Augen. Sie hätte ihn malen können.
Was für ein merkwürdiger Mensch, dachte sie. Wie kam es, dass er die Zeit fand, mit ihr zu sprechen, warum beeindruckte es ihn, sie anzuschauen? Weil sie anders war als die Leute, die ihn sonst beim Theater umgaben?
Anita zahlte und ging. Je näher sie dem Theater kam, umso aufgeregter wurde sie. Es war, als wäre sie ihrem Schicksal begegnet.
Sie war eine schlanke Erscheinung mit langen, schön geformten Beinen. Über dem weiten, schwarzen Rock, dem enganliegenden silbrigen Lurexpullover trug sie eine weiche, schwarze Wildlederjacke. Sie war nicht gerade festlich gekleidet.
Es war schon sehr lebhaft vor dem Theater. Autos hielten, denen Besucher entstiegen. Unter lebhaften Unterhaltungen und Lachen blieben einige Menschen vor den großen Fotos in den Glaskästen stehen, auf denen Tarquin als „Petrucchio“ abgebildet war.
Fröhlich betrat sie das festlich erleuchtete Foyer. Es war ein schönes altes Theater, in Gold und Rot gehalten, mit antiken Spiegeln und zierlichen Stühlen, warmen Samtportieren und Skulpturen. Rechts und links führten geschwungene Treppen zu den Garderoben und den Logen.
Sie wollte gerade durch
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