Julia Extra 0353
niemals erlauben würde. Darum wartet er auf meinen Tod, bevor er sich an sie heranmacht.“
Raoul nickte. „ Hyäne ist das richtige Wort! Aasfresser und Abschaum, die ganze Familie! Ohne ihr Geld hätten sie nie Zugang zur High Society gefunden. Nur ihr Vermögen hat Ihnen einen Anstrich von Seriosität verliehen. Aber das ist alles nur Fassade.“ Und jetzt war einer von ihnen hinter Gabriella her? „Und sie weiß von nichts?“
Umberto schnaubte spöttisch. „Consuelo würde ihr wohl kaum die Wahrheit sagen. Sie weiß nur, dass sein Bruder unter tragischen Umständen gestorben ist. Vermutlich denkt sie, dass sie dadurch etwas gemeinsam haben.“ Er seufzte, dann schüttelte er den Kopf. „Ich habe versucht, sie zu warnen, aber Gabriella sieht in jedem nur das Gute – selbst in Menschen wie ihm. Und die ganze Zeit spielt er mit ihr wie die Katze mit der Maus. Er weiß ganz genau, dass er die Zeit auf seiner Seite hat. Du siehst, dass ich keinen außer dir um Hilfe bitten kann. Du musst sie heiraten, Raoul.“ In einer letzten Anstrengung hob er den Kopf vom Kissen. „Du musst sie beschützen. Du musst!“
Er fiel zurück in die Kissen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Nur das schnelle Piepen der Überwachungsmaschinen füllte die Leere.
Mit gesenktem Kopf saß Raoul an seiner Seite, während in seinem Inneren ein Sturm toste. Er sollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass sich ein Garbas das Vermögen von Umbertos Enkelin erschlich. Leider war er die letzte Person, die Gabriella beschützen konnte.
Ganz abgesehen davon, dachte Umberto wirklich, Gabriella würde ihn einfach heiraten. Er war ein gebrochener Mann. Was konnte er ihr schon bieten?
Wieder nahm er die Hand seines Freundes. Er ahnte, dass dies ihre letzte Begegnung sein würde. „Umberto … mein Freund … ich liebe dich von ganzem Herzen, aber diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Es muss einen anderen Weg geben, Gabriella zu beschützen, und ich werde ihn finden. Das verspreche ich dir. Denn ich bin nicht der richtige Ehemann für deine Enkelin.“
„Ich habe dich nicht darum gebeten, sie zu lieben“, brauste Umberto auf. Die Maschinen an seinem Kopfende piepten auf Hochtouren. „Du sollst sie nur heiraten! Beschütze sie!“
Die Tür ging auf, und eine Krankenschwester stürmte in den Raum. Sie schob Raoul zur Seite, um nach Umberto zu sehen.
„Der Besuch ist vorüber“, blaffte sie, ohne sich umzuschauen. „Sie regen meinen Patienten auf.“
Für einen Moment schloss Raoul die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Dann schaute er zurück zum Bett. Emsig kontrollierte die Krankenschwester die Monitore, stellte den Tropf neu ein und richtete die Kissen. Sein alter Freund sah unendlich schwach und verloren aus. Von dem einst so mächtigen Mann war nur noch ein Schatten geblieben.
Umbertos letzte Momente sollen nicht von Angst und Sorge vergiftet sein, dachte Raoul. Selbst wenn das bedeutete, dass er das Unmögliche versprechen musste. Aber sein Freund verdiente, in Frieden zu sterben.
„Gut, ich heirate sie. Wenn es wirklich das ist, was du von mir verlangst“, presste er zwischen den Zähnen hervor. Er ignorierte das warnende Stirnrunzeln der Krankenschwester. „Ich heirate sie.“
1. KAPITEL
Drei Wochen später
In diesem Jahr war der Winter früh gekommen. Der späte Septembertag war so trübe und dunkel, als würde die Erde selbst den Tod ihres Großvaters betrauern. Die feuchte Luft und der eiskalte Regen passten zu Gabriella D’Arenbergs Stimmung, als sie allein am blumenbedeckten Grab ihres Großvaters stand.
Kurz zuvor hatte ihr auch der letzte Trauergast die Wangen geküsst und sein tiefes Beileid bekundet. Jeden Augenblick musste Consuelo zurückkommen, dann würden sie auch gehen. Er hatte sich entschuldigt, um einen Anruf entgegenzunehmen. Die anderen Trauergäste warteten inzwischen bestimmt schon bei Kanapees und Cognac im Hotel auf sie.
Gabriella war dankbar für den Moment der Stille. Hier, im Schatten des Eiffelturms, störte nichts ihre Gedanken. Die Geräusche der Großstadt drangen nur gedämpft durch die dicken Friedhofsmauern.
Doch plötzlich fuhr sie erschrocken herum, als sie aus den Augenwinkeln einen dunklen Schatten wahrnahm. Groß, breitschultrig und dunkel wie die Nacht tauchte er aus dem dichten Nebel auf. Als er langsam zwischen Skulpturen geflügelter Engel und pausbäckiger Cherubim auf sie zuging, begann Gabriellas Herz schneller zu schlagen. Und erstaunt bemerkte
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