Julia Extra Band 0305
losließ.
Quinn nickte und blickte zu der Touristengruppe, die gerade am Drahtzaun vorbeikam, der den Platz umgab. Der Fremdenführer erzählte laut Geschichten über den Stadtteil Brooklyn, den sie alle schon seit ihrer Kindheit kannten – auch wenn Quinn ein bisschen später als die anderen dazugekommen war.
„Wenn Clare vorhätte, zurück nach Hause zu ziehen, hätten wir inzwischen alle davon gehört“, fügte Morgan hinzu.
„New York ist jetzt ihr Zuhause. Sie gehört hierher“, sagte Quinn leise.
Das Schweigen dauerte so lange, dass er seine Aufmerksamkeit wieder seinen Freunden zuwandte. Sie musterten ihn, bis er sich wie ein Insekt unter dem Mikroskop vorkam.
„Was ist?“
„Nichts …“
„Nichts …“
„Dann lasst uns das Spiel zu Ende bringen. Ich muss in zwei Stunden im Manhattan Club sein.“ Dies war seine letzte Erholungspause, bevor er mit Phase zwei seines Plans beginnen musste. Des Plans, den er für genial gehalten hatte, bevor er einen langen Blick auf Clare in einem Outfit geworfen hatte, dessen Stoff kaum für einen Badeanzug gereicht hätte.
Fast achtzehn Monate hatte Quinn es geschafft, Clare nicht so genau anzusehen. Achtzehn Monate! Und jetzt hatte sich der Anblick unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt. Nie wieder würde sie einfach Clare sein, die unten wohnte und für ihn arbeitete.
Wie ein Besessener raste Quinn über den Platz und stürzte sich mit seiner ganzen Wut und Frustration ins Spiel. Warum hatte Clare nicht einen zwei Nummern zu großen Trainingsanzug anhaben können? Er wollte sie nicht als Frau sehen. Sobald er angefangen hatte, sie so anzublicken, war alles anders geworden.
Und er kannte sich. Wenn Clare ihn nicht auch als Mann sah, würde es für ihn zu einer Herausforderung werden.
Dann würde Clare wirklich in Schwierigkeiten sein.
Mit großen Augen betrachtete sich Clare im Spiegel.
„Du siehst wundervoll aus.“
Nicht das Wort, das sie benutzt hätte. „Es ist zu kurz.“ Vergeblich zerrte sie am Saum, damit das Kleid länger wurde.
Die jüngere Frau lachte. „Nein, ist es nicht. Nicht mit deinen Supermodelbeinen. Hostessen verkörpern diese Art von Glamour, selbst wenn wir in Wirklichkeit nur bessere Kellnerinnen sind. Wir sind das Erste, das die Leute sehen, wenn sie die VIP-Lounge betreten. Du könntest den Job machen, wenn es dich zu langweilen anfängt, jeden Tag den Boss anzublicken.“
Ihn anblicken? Schön wär’s! In den vergangenen achtundvierzig Stunden hatte Clare ihn überall gesucht, während er geschickt einen Grund nach dem anderen gefunden hatte, nicht ins Büro zu kommen.
Wieder zerrte sie am Saum des schimmernden schwarzen Kleids. Sie beruhigte sich damit, dass sie nur ihre Beine zeigte und daran heutzutage überhaupt nichts Anstößiges mehr war. Alles in allem hätte es viel schlimmer sein können. Trotzdem, sie hätte den Job nicht übernommen, wenn sie nicht wirklich in der Klemme wären. Zwischen niedlich und glamourös lagen ja Welten!
Ihr kastanienbraunes Haar war zu einer wilden Lockenmähne frisiert, die schwarz geschminkten Augen sollten ihren Blick verführerisch machen, und das dunkelrosa Lipgloss ließ sie aussehen, als wäre sie ständig bereit, geküsst zu werden.
Tja, sie hatte sich gewünscht, gesehen zu werden.
„Na los, wir üben das Speziallächeln und das Laufen auf diesen Absätzen.“
Clare verzog das Gesicht. „Toll.“
„Du wirst großartig sein. Das bist du immer. Deshalb lieben dich ja alle: Du bist eine Kollegin, auf die man sich verlassen kann, Clare.“
Ja, alle, die für Quinn Cassidy arbeiteten, mochten sie sehr gern, nur der Mann selbst konnte sie anscheinend nicht mehr in seiner Nähe ertragen. Wenn er aus dieser albernen Wette aussteigen wollte, brauchte er es nur zu sagen. Damit hatte sie kein Problem.
Ihr Problem war, wie sehr sie ihn vermisste. Sie vermisste seine raue Stimme, sein Lächeln und wie er sie zum Lachen brachte … Nicht, dass Clare ihm das verraten würde. Schließlich besaß er schon ein Ego von der Größe Manhattans.
Aber es ließ nichts Gutes ahnen, wenn er ihr bereits so fehlte, bevor sich ihre Beziehung durch neue Partner veränderte …
Vielleicht war sie nicht so unabhängig, wie sie geglaubt hatte. Ein deprimierender Gedanke.
Der Club war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Quinn, geduscht und umgezogen, endlich eintraf. Er vergewisserte sich, dass es nirgendwo größere Pannen gegeben hatte, und übernahm dann gekonnt seine
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