Julia Extra Band 0328
er auch, dass sie seitdem in dem exklusiven Grand Bretagne Hotel als Zimmermädchen arbeitete?
Leo nippte an seinem Drink. „Mein Foto war in allen Zeitungen, als ich hier ankam. Dein Vater hat verzweifelt nach jemandem gesucht, der ihn retten kann – und du willst mich allen Ernstes glauben machen, du hättest nicht gewusst, wer ich bin, als du mich am Pool gesehen hast?“
Sie nickte. Sie hatte es tatsächlich nicht gewusst. Instinktiv war sie davor zurückgeschreckt, auch nur eine Zeile über die Familie Parnassus und ihre triumphale Rückkehr zu lesen, da es ihr aus unterschiedlichen Gründen zu nahe gegangen wäre. Außerdem war sie mit den Problemen ihrer Schwester beschäftigt gewesen.
Angel umklammerte ihr Glas. Ärger wallte in ihr hoch, weil Leo sich so überheblich verhielt und sie sich durch sein Verhalten bedroht fühlte. „Ob du es glaubst oder nicht, ich hatte keine Ahnung. Reicht es dir nicht, dass deine Familie alles getan hat, um meine zu ruinieren?“
Leo stieß ein kurzes Lachen aus. „Warum sollte ich damit zufrieden sein, wenn du darauf aus bist, erneut Unfrieden zu stiften? Dass du heute hier eingedrungen bist, ist doch Beweis genug.“
Er beugte sich vor, während seine Augen Blitze sprühten. Angel hätte sich am liebsten verkrochen, doch sie blieb aufrecht sitzen und verfluchte sich dafür, ihn provoziert zu haben.
Leo lehnte sich wieder zurück und sah sie herablassend an. „Jedenfalls stecke ich jetzt in einer interessanten Zwickmühle.“
Angel sagte nichts. Er würde sie sicher gleich aufklären.
„Obwohl wir es geschafft haben, das Vermögen der Kassianides auf null zu reduzieren, noch weniger, als wir selbst vor siebzig Jahren hatten, muss ich zugeben, dass mich dieser Triumph mit einem … leeren Gefühl zurücklässt. Dein dreistes Verhalten weckt in mir das Verlangen nach etwas … Greifbarem.“
Panik erfasste Angel. Sie hatte das Gefühl, eine unsichtbare Schlinge würde sich um ihren Hals legen. „In Konkurs zu gehen würde ich als ziemlich greifbar bezeichnen.“
Mit kühler Miene beugte Leo sich wieder vor. „Der Konkurs ist Sache deines Vaters. Nein, ich spreche davon, dass mein Großonkel beschuldigt wurde, eine schwangere Frau, die aus einer der reichsten Familien Athens stammte, vergewaltigt und ermordet zu haben. Eine ganze Familie wurde angesichts der drohenden Untersuchung durch die Polizei ins Exil gezwungen. Zudem musste mein Großonkel mit der Todesstrafe rechnen.“
„Hör auf“, bat Angel mit brüchiger Stimme. Sie kannte die Geschichte, und ihr wurde übel dabei.
Doch Leo ließ sich nicht beirren. „Wusstest du auch, dass mein Großonkel nie über diese entsetzliche Verleumdung hinweggekommen ist und sich schließlich umgebracht hat?“
Angel schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich elend. Das Ganze war weit schlimmer als sie sich vorgestellt hatte. „Das wusste ich nicht.“
„Mein Großonkel hat deine Großtante geliebt.“ Leo verzog den Mund. „Seine Schuld. Und weil deine Verwandten es nicht ertragen konnten, dass einer ihrer Lieblinge sich mit einem einfachen Werftarbeiter abgab, haben sie alles versucht, um diese Romanze zu vereiteln.“
„Ich weiß, was geschehen ist.“ Angel hatte das Gefühl, ihr würde sich der Magen umdrehen.
Hart lachte Leo auf. „Ja, jeder weiß Bescheid. Dank eines alten Trunkenbolds, der mit der Schuld nicht mehr leben konnte. Der das Verbrechen begangen und vertuscht hatte und sich von deinem Urgroßvater dafür hat bezahlen lassen.“
Nicht genug damit, dass ein familieninterner Mord begangen worden war, die Tat wurde auch noch feige vertuscht.
Angel zwang sich, Leos vorwurfsvollem Blick standzuhalten, obwohl sie sich vor Scham am liebsten verkrochen hätte. „Ich bin nicht schuld an dem, was sie getan haben.“
„Genauso wenig wie ich. Und trotzdem habe ich mein ganzes Leben lang dafür bezahlen müssen. Ich bin auf einem anderen Kontinent aufgewachsen und habe Englisch als Muttersprache statt Griechisch. Und ich habe zusehen müssen, wie meine Großmutter von Jahr zu Jahr immer mehr dahingewelkt ist, weil sie wusste, dass sie nie nach Hause zurückkehren würde.“
Angel wollte ihn bitten aufzuhören, doch die Worte kamen ihr nicht über die Lippen.
Leo war noch nicht am Ende. „Meinem Vater hat all das so zugesetzt, dass unsere Beziehung daran zerbrach. Genauso wie die zu seiner ersten Frau. Ich bin viel zu schnell erwachsen geworden, weil ich das tiefe Bedürfnis hatte, ein schreckliches
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