Julia Extra Band 0328
schmecken, zu liebkosen oder sich wieder und wieder in ihr zu versenken. Er hatte sich mit jedem Zoll ihres Körpers vertraut gemacht, mit den kleinen Veränderungen, den süßen Geheimnissen. Es war so schön gewesen, so einzigartig, dass er nicht hatte aufhören können.
Hätte er aufgehört, das wusste er, müsste er lange verdrängten Wahrheiten ins Gesicht sehen. Und je weiter die Nacht fortschritt, desto weniger war er daran interessiert.
„Ein wahres Festmahl“, hatte Jessa irgendwann von sich gegeben, während sie knapp bekleidet im Wohnzimmer saßen und sich ein wenig von der üppigen Tafel bedienten, die sie vorher verschmäht hatten. Sie hatte ihn angelächelt, während sie im Schneidersitz vor ihm saß. Ihre Haare fielen locker über die Schultern, und sie war so entspannt wie kaum je zuvor gewesen.
„Ganz deiner Meinung“, sagte er. Doch an das Essen dachte er dabei nicht.
Erinnerungen quälten ihn und trieben ihn in die Zeit zurück, die er hatte vergessen wollen.
Seine Eltern waren bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben gekommen. Er hatte nur mehr ein verschwommenes Bild vom seltenen Lächeln seines Vaters oder den dunklen Haaren seiner Mutter. Der einzig lebende Hinterbliebene, sein Onkel, der König von Nur, hatte ihn im Palast aufgenommen, wo er mit seinen Cousins und Cousinen, den Prinzen und Prinzessinnen, aufwuchs.
Solange er denken konnte, hatte sein Onkel für ihn die Vaterstelle übernommen, wobei Tariq immer bewusst gewesen war, nicht dessen leiblicher Sohn zu sein. Ebenso war ihm deutlich gemacht worden, dass seine Cousins die zukünftigen Herrscher des Landes werden würden und als solche erzogen wurden.
„Und was sind meine Verpflichtungen?“, hatte Tariq eines Tages unbeschwert gefragt.
Sein Onkel hatte ihn nur angelächelt und ihm den Kopf getätschelt. Von da an wusste Tariq, dass er unbedeutend war, jedenfalls nicht von hohem Stellenwert wie seine Cousins.
Und so ging er nur seinem Vergnügen nach. Obgleich sein Onkel anklingen ließ, dass er zu mehr geschaffen wäre als zu einem Leben mit teuren Autos und europäischen Models, die ebenso viel kosteten, hatte Tariq nie herausfinden können, was hinter den Worten des Onkels steckte. Er war als Profi an der Börse präsent, weil es ihn amüsierte, doch es bedeutete ihm nichts anderes als ein Pokerspiel in den Hinterzimmern von Monte Carlo.
Seit Langem schon hatte er die Gefühle tief in sich vergraben, die ihn als Kind verfolgt hatten. Er war ein Ausgestoßener der eigenen Familie, die ihn zwar tolerierte, aber ihn nie als dazugehörig ansah. Er war ein Fall für ihre Wohltätigkeit, eine Verpflichtung, doch keiner für den inneren Kreis.
Tariq hörte, wie Jessa sich hinter ihm im Bett bewegte. Er wandte sich um und sah nach ihr, doch sie hatte nur ihre Schlafposition verändert und stieß einen kleinen, zufriedenen Seufzer aus.
Er wandte sich wieder dem Ausblick aus dem Fenster zu, spürte die kalte Luft auf seiner Haut und wurde abermals von der Vergangenheit eingefangen. In jenem Sommer, als er Jessa kennengelernt hatte, sprach sein Onkel ein Machtwort. Er konnte Tariq nicht mit dem Verlust von Einkommen oder Besitz drohen, denn Tariq hatte zu diesem Zeitpunkt sein Vermögen bereits vervielfacht. Doch der Alte war trotzdem kein zahnloser Tiger.
„Du musst dein Leben ändern“, hatte ihn der alte König eindringlich ermahnt. Sie saßen hoch über den Kliffs auf der Terrasse einer seiner Villen. Sie stand auf einer Privatinsel im Mittelmeer vor der türkischen Küste. Der König hatte Tariq für dieses Gespräch dorthin beordert. Tariq hatte nicht erwartet, dass es ein Vergnügungsausflug wurde, doch bisher hatte er es noch immer geschafft, den alten Herrn zu besänftigen. Das hatte er auch diesmal vor.
„Wie soll ich mein Leben ändern?“ Er schaute hinab auf die wogenden Wellen unter ihnen, weiß und tiefblau. Er war vierunddreißig Jahre alt und der Welt überdrüssig. Unendlich gelangweilt. „Um mein Leben beneiden mich Millionen.“
„Dein Leben ist leer“, konterte der Onkel. „Ohne jeden Inhalt.“ Er rümpfte die Nase über Tariqs allzu modisches Erscheinungsbild. „Du bist nichts anderes als einer dieser arabischen Playboys, auf welche die gesamte Welt mit Verachtung herabschaut. Alle ihre Vorurteile werden durch Männer wie dich bestätigt.“
„Bis es um Geld geht“, erwiderte Tariq kühl. „Erstaunlich, wie rasch sie einem dann ihren Respekt erweisen. Sie reagieren regelrecht
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