Julia Extra Band 0349
wollte es wirklich.“ Dennoch hatte sie es sich in all den Jahren nicht vorstellen können. Nun erlebte sie es und zweifelte nicht daran, dass es genau das Richtige war.
Sie würde ihre verlorenen Jungs bestatten.
Rob gab ihr den Kranz, den sie mit zitternden Händen entgegennahm. Zusammen gingen sie ans Heck des Boots und zögerten. Anscheinend wusste Rob ebenso wenig wie sie, was sie tun sollte.
Den Blick aufs Meer gerichtet, sprach Honor leise das einzige Gebet, das sie kannte. Dann redete sie im Geiste mit Justin. Sie erzählte ihm, wie sehr sie ihn liebe und wie traurig sein Tod sie mache, wie es sie tröste, ihn mit seinem Vater zusammen zu wissen. Und dass sie sich eines Tages wiedersehen würden.
Honor wischte sich die Tränen ab und dachte an Nate. Ihren besten Freund und Ehemann, und wahrscheinlich war er als Freund erfolgreicher gewesen als als Ehemann. Sie sagte ihm, dass sie ihn geliebt und sich von ihm geliebt gefühlt habe. Vielleicht sei er nicht die große Liebe ihres Lebens gewesen, aber ihre erste. Honor bat ihn um sein Einverständnis, und irgendwie war sie sicher, dass sie es über die unendliche Weite des Himmels hinweg erhielt.
Sie warf ihnen beiden eine Kusshand zu und ließ den Kranz vorsichtig ins Meer fallen. Rasch entfernten sich Boot und Kranz voneinander, was Honor sofort an jenen Tag auf See erinnerte, als die Wellen Justin, Nate und sie getrennt hatten. Diesmal tat es nicht so weh wie sonst – und sie hatte das Gefühl, etwas würde ein Ende finden.
Einen Moment lang beobachtete Honor, wie die Blumen auf den Wellen wegtrieben, bevor sie den vergangenen vier Jahren den Rücken kehrte.
Sich ihrer Zukunft zuwandte.
Versonnen stand Rob weiter vorn im Boot, um ihr den Freiraum zu gewähren, den sie brauchte. Sein Gesicht war blass, er fuhr immer wieder mit den Händen über seine Shorts. Sofort erkannte sie, dass er Angst hatte, und ging zu ihm.
„Wie fühlst du dich, Honor?“ Forschend blickte er sie an.
„Gut. Besser.“ Sie blinzelte, und die Welt schien heller zu werden, farbenprächtiger, überall um sie. „Wieder da.“
Er holte tief Luft und schob Honor rückwärts, bis sie mit den Waden an die Lederbänke stieß. Sie sank auf eins der Kissen, und er setzte sich neben sie.
„Okay. Es gibt ein paar Dinge, die du erfahren musst …“ Er räusperte sich.
Sie auch.
„Ich habe mich aus dem Familienunternehmen zurückgezogen.“
Damit hatte sie nicht gerechnet. „Wann? Warum?“
„Gleich als ich nach Cocos zurückgekommen bin. Ich habe viel über das nachgedacht, was du gesagt hast. Dass ich ein Doppelleben führe, anstatt glaubwürdig zu sein. Ich habe vor den meisten Menschen verheimlicht, was ich liebe, wer ich bin. Ich hatte einen Fuß in jedem Lager und musste mich entscheiden, zu welcher Welt ich gehören wollte.“
„Und du hast Schiffswracks gewählt?“, fragte Honor.
Rob schüttelte den Kopf. „Ich habe dich gewählt.“
Ihre Augen funkelten.
„Den vergangenen Monat habe ich mit Brokern am Telefon verbracht, um eine Kapitalanlage aufzuspüren, die es mir erlaubt, von der Schiffswracksuche zu leben. Mein ganzes Leben lang.“
„Und? Hast du?“
„Zwei in meiner Preisklasse. Aber kein Investment hätte Sinn, wenn du dir nicht vorstellen kannst, auf einem Boot neben mir zu stehen, Honor.“
Der Schock schnürte ihr die Kehle zu.
„Meine Leidenschaft für Meeresarchäologie von meiner fehlenden Leidenschaft für Bauprojekte zu trennen war nicht schwer. Aber an Schiffswracks zu denken, ohne dich vor mir zu sehen, war unmöglich. Doch ich wusste, dass das Leben, das ich führen muss, wenn ich meiner beruflichen Leidenschaft nachgehe, nicht zu dem der Frau passt, die ich auf der Insel zurückgelassen habe.“
Honor runzelte die Stirn. „Dann solltest du Schiffswracks wählen.“
„So einfach ist das nicht“, widersprach Rob.
„Doch, es ist so einfach.“ Sie beugte sich vor und nahm seine Hand. „Du darfst nicht deinen Traum in dem Moment wegwerfen, in dem du ihn endlich verwirklicht hast. Nicht für mich.“
„Ich würde ihn nicht wegwerfen. Ich würde zwischen Träumen wählen.“
Honor wurde schwindelig. Das Meer drehte sich vor ihren Augen.
„Auf der Insel habe ich mich oft dafür entschuldigt, was ich für dich empfinde. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich erkannt habe, dass dich zu lieben nicht meine Schwäche war. Es war meine Rettung. Weil ich mir dadurch über vieles klar geworden bin. Es hat mich veranlasst zu
Weitere Kostenlose Bücher