Julia Extra Band 356
untreu werden. Konnte sie mit ihm glücklich werden, wenn er sich an sein Abkommen hielt?
Es musste an Cassandras Hochzeit und all dem Heiratsgerede ihrer Mutter und ihrer wohlmeinenden Verwandtschaft liegen, dass sie überhaupt darüber nachdachte! Ihre Mutter hatte gestern vor ihren Verwandten so von Ari geschwärmt, und alle waren sich einig gewesen, dass er der perfekte Heiratskandidat für Tina wäre … wenn sie nicht leider schon ein Kind hätte.
Ihre Verwandten konnten ja nicht ahnen, dass gerade Theo ihre Trumpfkarte war. Alle würden sie und Ari heute mit hoffnungsvollen Blicken beobachten, und sie würde ihm nach der Trauung nicht länger ausweichen können. Der Hochzeitsempfang, der Tanz … das alles war ein Albtraum, dem sie nicht entrinnen konnte. Und es würde noch schlimmer werden, wenn schließlich die Wahrheit ausgesprochen sein würde.
Ihre Mutter würde natürlich wollen, dass sie Ari heiratete. Ihre Verwandten würden sie für verrückt halten, wenn sie es nicht tat. Nur Cass würde sich vielleicht auf ihre Seite stellen, aber Cass würde nicht zu ihrer Unterstützung da sein, sondern mit George in den Flitterwochen. Davon abgesehen war das, was Tina sich wirklich wünschte, absolut unmöglich: die Zeit zurückzuholen, als sie Ari von ganzen Herzen geliebt und geglaubt hatte, dass er ihre Liebe erwiderte.
Als der Priester Cassandra und George zu Mann und Frau erklärte, blinzelte Christina gerührt gegen Tränen an und wünschte den beiden von ganzem Herzen alles Glück der Welt. So sollte es zwischen Mann und Frau sein, die in eine gemeinsame Zukunft gingen.
Tina kämpfte immer noch mit den Tränen, als sie an Aris Seite hinter dem Brautpaar her aus der Kirche ging. Er drückte ihre Hand auf seinem Arm und zog sie dicht zu sich heran.
„Warum weinen Frauen eigentlich immer auf Hochzeiten?“, flüsterte er.
„Weil Veränderung immer auch beängstigend ist“, antwortete sie, ohne ihn anzusehen. „Und weil man von ganzem Herzen hofft, dass alles gut geht.“
„Und was wäre in deiner Vorstellung ‚gut‘, Christina?“
Christina … er nannte sie immer bei ihrem vollen Namen, weil sie ihn damals auch für ihre, dann vorzeitig abgebrochene Model-Karriere benutzt hatte. Wie hatte sie es geliebt, diesen Namen so unvergleichlich zärtlich aus seinem Mund zu hören! Umso mehr wünschte sie sich jetzt, er würde sie Tina nennen wie alle anderen. Dann würde sie nicht ständig daran erinnert werden, wie sehr sie ihn geliebt hatte.
Sie war nicht mehr das naive, unerfahrene Mädchen von damals! Trotzdem genügte ein Wort, ein Blick von ihm, und ihr wurden die Knie weich. Es war nicht fair, dass er so eine Macht über sie hatte! Deshalb klang ihre Stimme unbeabsichtigt scharf, als sie seine Frage beantwortete: „Es ist gut, wenn sie einander für den Rest ihres Lebens lieben, egal was geschieht.“ Zum ersten Mal an diesem Tag blickte sie ihm direkt in die Augen. „Uns fehlt diese Basis für die Ehe, nicht wahr?“
„Ich glaube nicht, dass Liebe der nötige Klebstoff ist, um eine Ehe zusammenzuhalten“, entgegnete er sofort. „Sie ist eher ein Rausch, der für vernünftiges Urteilen blind macht und rasch verfliegt, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden. Ich dagegen biete dir eine uneingeschränkte Verpflichtung meinerseits, Christina. Der kannst du mehr vertrauen als der Liebe.“
Alles in ihr sträubte sich gegen seine reichlich nüchterne Auffassung von der Liebe. „Ich würde das, was Cass und George haben, immer dem vorziehen, was du mir anbietest“, erwiderte sie trotzig.
„Ich verstehe ja, dass die Veränderung dir Angst macht, Christina“, flüsterte er ihr unbeirrt ins Ohr. „Aber ich verspreche dir, dass ich alles, was ich kann, tun werde, um den Wechsel für euch beide so leicht wie möglich zu machen.“
Den Wechsel! Er erwartete, dass sie ihr Leben in Australien, alles, wofür sie gearbeitet hatte, aufgab, um mit ihm zusammen zu sein! Die umgekehrte Lösung wurde erst gar nicht in Erwägung gezogen. Und vermutlich hätte sie auch gar kein Problem damit gehabt, wenn er sie geliebt hätte .
Das war der Knackpunkt, den Tina nicht ignorieren konnte. Es tat zu weh, dass Ari sie nicht liebte.
Nach den üblichen Fotos vor der Kirche fuhr die Hochzeitsgesellschaft weiter zur Weinkellerei Santo, malerisch hoch oben auf den Klippen gelegen mit einem herrlichen Blick aufs Meer. Das zugehörige Restaurant besaß einen großzügigen Außenbereich, wo unter einer
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