Julia Extra Band 357
größer, überschlank und langbeinig. „Schmückendes Beiwerk“, nannte Nana Jo diesen Frauentyp. Eine durchaus treffende Bezeichnung, denn alle seine Begleiterinnen waren makellos schön und stets auf dem allerneuesten Stand der Mode. Elizabeth Morris’ „gediegenes Outfit“, wie sie es selbst genannt hatte, würden sie nicht mit der Kneifzange berühren. Gerade das machte sie noch geeigneter für seine Zwecke. Obwohl er versuchte, diesen Gedanken weit von sich zu schieben.
Sie räusperte sich.
Oje, er hatte sie wohl angestarrt. Das zeugte nicht gerade von den untadeligen Umgangsformen, die man ihm nachsagte.
Bevor er sich für seine Unhöflichkeit entschuldigen konnte, stand Elizabeth auf.
„Offensichtlich habe ich Ihre Geduld lange genug in Anspruch genommen. Ich lasse Ihnen eine Informationsmappe hier. Dort finden Sie Angaben zu unserer Organisation und zu unserem Spendenaufruf. Meine Kontaktdaten liegen bei, falls Sie Fragen haben.“
Sie öffnete ihre Aktentasche, zog eine Mappe heraus und legte sie sichtlich enttäuscht auf den Schreibtisch. Vermutlich hatte sie ihn bereits als wenig spendabel abgestempelt. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. „Bitte nehmen Sie doch wieder Platz. Ich möchte gleich einen Blick in die Unterlagen werfen.“
Der Inhalt der Mappe spiegelte Elizabeths Tüchtigkeit wider. Sachlich wurde über das Anliegen des Vereins berichtet. Aufstellungen erleichterten die Übersicht. Interessiert überflog Thomas die für die Stiftung benötigten Mittel. Es fehlte nur noch ein Drittel des Betrags, dann war Elizabeth am Ziel.
„Wie ich sehe, waren Sie ganz schön fleißig“, sagte er beeindruckt.
„Ich bin ja auch schon seit neun Monaten unterwegs. In letzter Zeit ist das Spendensammeln allerdings recht mühsam geworfen. Leider stecken wir ja mitten in einer Wirtschaftskrise.“
Wem sagte sie das! Auch Waverly Enterprises spürte die Auswirkungen nur zu deutlich. Thomas und seine Abteilungsleiter mussten ebenfalls einen Sparkurs fahren. Die Weihnachtsfeier war auf ein gemeinsames Mittagessen reduziert worden und einige offene Stellen blieben unbesetzt.
An Beiträgen für wohltätige Zwecke versuchte er allerdings nicht zu sparen, und zwar aus sozialer Verantwortung und nicht, weil seine Steuerberater ihn darauf hinwiesen, dass er die Beträge steuerlich absetzen konnte. Als Geschäftsmann wusste er, wie wichtig es war, Menschen Lesen und Schreiben beizubringen. So eine Initiative unterstützte er nur zu gern, insbesondere, wenn die Schüler davon profitierten und die Spende nicht für Verwaltungskosten draufging. Das jedenfalls wurde in der Informationsmappe versichert.
Ein unaufdringlicher Duft nach Apfelblüten wehte ihm entgegen, was Thomas erst recht in seinem Vorhaben bestärkte.
Wieso eigentlich nicht? Er würde eine großzügige Spende zugunsten der Stiftung überweisen, und Elizabeth würde ihm einen Gefallen tun. Eine geschäftliche Vereinbarung, von der sie beide profitierten. Quid pro quo. Sie machte ja einen durchaus vernünftigen Eindruck. Warum sollte sie seinen Vorschlag ablehnen?
„Haben Sie vielleicht Fragen?“, erkundigte sie sich höflich und lächelte optimistisch.
Die hatte er allerdings. Die wichtigste stellte er zuerst: „Nennt man Sie gelegentlich auch Beth?“
2. KAPITEL
Völlig konsterniert starrte Elizabeth ihn an. Sie hatte ja mit allen möglichen Fragen von Thomas Waverly gerechnet, aber diese wäre ihr nicht im Traum eingefallen. Da sie nicht unhöflich erscheinen wollte, antwortete sie schließlich wahrheitsgemäß: „Nein. Auf die Idee ist bisher noch niemand gekommen.“
Manchmal wurde sie Lizzie genannt. Den Namen hatten ihre Eltern ihr ursprünglich gegeben. Sowie sie volljährig geworden war, hatte sie ihn offiziell in Elizabeth ändern lassen, weil ihr dieser Name besser gefiel, denn er war zeitlos und Respekt einflößend. Königinnen und Hollywoodlegenden hießen Elizabeth. Aber Lizzie? Dieser Name weckte völlig falsche Assoziationen. Tin Lizzie beispielsweise. Sie war doch keine alte Klapperkiste!
Thomas atmete tief durch, als müsste er Mut für eine umwälzende Ankündigung schöpfen. „Sie wirken wie eine Beth.“
„Wahrscheinlich verwechseln Sie mich mit jemandem.“
Seltsam, welche Wendung dieses Gespräch genommen hatte. Langsam beunruhigte sie der durchdringende Blick ihres Gegenübers. Na ja, schmeichelhaft war er auch. Normalerweise verschwendeten fantastisch aussehende, erfolgreiche Männer keinen
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