Julia Extra Band 357
zulassen, dass sie es mitnahm, wenn sie nach England zurückkehrte.
Die Zeremonie in der Moschee am Spätnachmittag erforderte nur ihre Anwesenheit. Vor dem historischen Gebäude standen zahlreiche Polizisten, die die neugierige Menschenmenge zurückhielten. Der Empfang am Abend war weitaus anstrengender. Es fiel Ruby zwar nicht schwer, Small Talk zu treiben, aber es machte sie verlegen, wenn jemand mehr über ihre Herkunft wissen wollte. Als Raja den Raum betrat, spürte sie es sofort, denn ein Raunen ging durch die Menge. Wajid entschuldigte sich leise bei ihr, und alle blickten zur Flügeltür.
„Er ist wirklich von königlicher Abstammung“, flüsterte jemand in ihrer Nähe. „Und man sieht den Unterschied sofort.“
Beschämt errötete Ruby. Hatte sie ihren Part so schlecht gespielt? Dann machte sie sich allerdings klar, dass sie nur durch ihre Geburt eine Prinzessin war. Schließlich hatte sie bisher ein ganz normales Leben geführt. Aber sie bemühte sich wirklich sehr, höflich, reserviert und würdevoll aufzutreten und verfängliche Themen zu meiden, wie Wajid ihr geraten hatte. Doch da sie sehr temperamentvoll und offen war, fiel es ihr schwer. Sie fühlte sich äußerst unwohl in ihrer Rolle.
In dem hellgrauen Anzug sah ihr Ehemann überwältigend attraktiv aus. Ihr Ehemann ? Das ist er nicht, nicht wirklich, sagte sie sich sofort wütend. Eine Frau suchte sich ihren Partner mit dem Herzen aus. Während Ruby schuldbewusst errötete, betrachtete sie sein markantes Gesicht und versuchte dabei, nichts zu empfinden. Verstohlen beobachtete sie, wie er von Gruppe zu Gruppe ging, lächelte und charmant plauderte. Souverän bewegte er sich auf dem gesellschaftlichen Parkett. Wajid Sulieman, der neben ihr stand, strahlte übers ganze Gesicht.
Als die Getränke und Snacks serviert wurden, kam Raja endlich zu ihr. Seine Augen funkelten, während seine Hand auf ihrem Rücken lag. Ruby verspannte sich, weil sie an Bariah denken musste, die sich auf einer Veranstaltung wie dieser bestimmt nicht unwohl gefühlt hätte.
„Meine Familie war ganz enttäuscht, weil sie dich heute noch nicht kennenlernen konnte“, erzählte er leise.
„Hier dagegen sind alle enttäuscht, weil ich nicht du und keine richtige Prinzessin bin“, konterte Ruby und biss sich dann auf die Lippe, denn sie hatte es eigentlich für sich behalten wollen.
„Das bildest du dir nur ein. Eine schöne, gut gekleidete Frau ist fast immer lieber gesehen als ein Mann“, versuchte er sie zu trösten.
Wajid stellte sie einem älteren Ehepaar vor, das ehrenamtlich für eine Organisation arbeitete, die außerhalb von Simis ein Waisenhaus führte. Als sie hörte, dass sie dieses am nächsten Tag besuchen sollte, wurde Ruby klar, wie wenig Freizeit sie von nun an hatte. Ihr Tagesablauf würde offenbar von Repräsentationspflichten und anderen Aktivitäten im Dienste der Wohltätigkeit bestimmt sein. Unter anderem musste sie auch die Sprache lernen, wenn sie nicht auf Schritt und Tritt von einem Dolmetscher begleitet werden wollte.
„Du bist so still. Was ist los?“, erkundigte Raja sich später auf dem Weg zu ihrer Suite.
„Es ist nicht so wichtig.“ Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, eilte Ruby direkt ins Schlafzimmer, um sich etwas Bequemeres anzuziehen. Dort war ein Zimmermädchen gerade dabei, Sachen in einen Schrank zu hängen – Männersachen. Die Lippen zusammengepresst, kehrte Ruby ins Wohnzimmer zurück, wo Raja am Fenster stand.
„Du teilst die Suite mit mir?“
„Ehepaare schlafen normalerweise in einem Bett“, erklärte er ruhig.
Sie wurde wütend. Aus seinem Mund klang das so banal. Das war es aber nicht. „Ich habe erfahren, dass du meine Cousine Bariah geheiratet hättest, wenn sie noch leben würde“, gestand sie.
„Der Punkt mit der Heirat wäre sicher nicht in den Friedensvertrag aufgenommen worden, wenn die königlichen Familien nicht an eine bestimmte Braut und einen bestimmten Bräutigam gedacht hätten.“
Wie immer hatte er recht, und frustriert ballte sie die Hände zu Fäusten. „Und natürlich wäre dir eine richtige Prinzessin lieber gewesen!“
Mit regloser Miene betrachtete er sie, was sie erst richtig auf die Palme brachte.
„Ich sagte …“
„Ich bin nicht taub“, unterbrach Raja sie. „Aber ich frage mich, welche Antwort du erwartest.“
Ruby spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. „Ist eine ehrliche Antwort zu viel verlangt?“
„Überhaupt nicht, aber ich werde weder dich
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