Julia Extra Band 357
Vertrauen missbraucht.“
„Ich hatte immer vor, alles zu tun, um dich glücklich zu machen“, sagte Raja mit einem gequälten Unterton, denn ihm war durchaus bewusst, dass er Ruby gegenüber nicht ehrlich gewesen war. Und dies entsprach nicht seiner Natur. „Ich kann mein Verhalten nur damit rechtfertigen.“
„Aber wenn du dich von mir scheiden lassen musst, um mich glücklich zu machen, wirst du es mir schwer machen“, mutmaßte sie. Aschfahl und sichtlich angespannt, wandte sie sich ab. „Ich schlafe heute Abend auf dem Sofa.“
Nachdem sie leise die Tür hinter sich geschlossen hatte, fluchte Raja. Noch nie zuvor hatte er sich so schlecht gefühlt. Er hatte sie verletzt, und das war nicht seine Absicht gewesen. Am liebsten hätte er seinen Zorn herausgeschrien und mit den Fäusten gegen die Wand getrommelt. Doch er hatte schon früh gelernt, sich zu beherrschen und seinen Verstand zu gebrauchen. Wäre er Ruby gefolgt, hätte er alles nur noch schlimmer gemacht. Er hatte sich für Offenheit entschieden, weil er glaubte, sie hätte es verdient.
Ironischerweise meinte er zu wissen, was seine Frau von ihm wollte. Schließlich hatten alle anständigen Frauen, denen er bisher begegnet war, sich dasselbe von ihm gewünscht – bedingungslose Hingabe und all die leeren Worte und Phrasen, die dazugehörten. Er hingegen hatte schon früh gelernt, sich nicht mit diesem Typ einzulassen. Es war viel einfacher, die materiellen Bedürfnisse seiner Geliebten Chloe zu befriedigen, und deshalb bevorzugte er Partnerschaften, die auf praktischen Erwägungen gründeten und in denen keiner weitere Ansprüche stellte.
Ruby hingegen war sehr gefühlsbetont und würde mehr verlangen, als er geben konnte. Sie würde Dinge erwarten, die ihm Unbehagen bereiteten. Raja rief sich jene Jahre ins Gedächtnis, als er Student gewesen und zum ersten und einzigen Mal im Leben richtig verliebt gewesen war. Jene Frau hatte sich Romantik gewünscht – mit Gedichten, Händchenhalten und allem, was dazugehörte. Sie hatte ihn mit Haut und Haaren gewollt und ihm damit gedroht, sich umzubringen, wenn er eine andere auch nur ansah.
Doch er war kein Schoßhund, und insgeheim hasste er Gedichte, auch wenn sein Vater sich in Najar einen Namen als Dichter gemacht hatte. Raja stöhnte frustriert. Warum waren manche Frauen so schwierig? Ruby war sehr schön, er war gern mit ihr zusammen und hatte gerade fantastischen Sex mit ihr gehabt. Das genügte ihm und war seiner Meinung nach die perfekte Grundlage für eine Ehe zwischen Fremden. Er war mehr als zufrieden mit dem, was sie schon hatten. Also, warum konnte Ruby es nicht auch sein? Und wie sollte er sie von seinem Standpunkt überzeugen?
Auf dem Sofa, das seine besten Jahre hinter sich hatte und schon ziemlich durchgesessen war, wälzte Ruby sich unruhig hin und her. Raja hatte zugegeben, dass er sie belogen hatte, und das verblüffte sie. Er hatte sich auf ihre Bedingungen eingelassen. Er hatte die Worte gesagt, es aber nicht so gemeint. Er hatte keine platonische Ehe gewollt und die erstbeste Gelegenheit ergriffen, um etwas daran zu ändern.
Und sie hatte sich ihm in der Wüste an den Hals geworfen und es nicht erwarten können, mit ihm eins zu werden. Aber es konnte nur Verlangen gewesen sein, und sie hatte nicht einmal versucht, es zu unterdrücken. Sie konnte es zwar auf die äußeren Umstände zurückführen, aber in ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass nichts passiert wäre, wenn sie Raja al-Somari nicht so unwiderstehlich gefunden hätte.
Anscheinend hatte er jedoch aus ganz anderen Gründen mit ihr geschlafen – um die Ehe zu vollziehen und sie damit an sich zu binden. Wie attraktiv fand er sie wirklich? Gehörte er womöglich zu den Männern, die eine Frau nur verführten, um sich etwas zu beweisen? Wie viele Frauen mochten ihn zurückgewiesen haben? Hatte sie, Ruby, nur eine Herausforderung für ihn dargestellt?
Tränen brannten ihr in den Augen und rannen ihr über die Wangen, während sie im Mondschein an die Decke blickte. Bisher hatte sie noch nie erraten, was in Raja vorging. Er war geheimnisvoll, und genau das machte seine Anziehungskraft aus, wie sie sich schmerzlich eingestehen musste.
Vielleicht war es höchste Zeit gewesen, dass sie einem Mann begegnete, der eine größere Wirkung auf sie ausübte als sie auf ihn. War sie vielleicht zu überheblich gewesen, weil sie geglaubt hatte, kein Mann könne sie täuschen oder verletzen? Sie hatte gedacht, sie könne den
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