Julia Extra Band 366
war eine Waffe, die man einsetzen konnte.
Becca stand in einem weiteren der austauschbaren eleganten Räume dieses unverschämt weitläufigen Palastes. In der Hand hielt sie ein Glas perfekt gekühlten Weines, ein unbeschreiblich teurer alter Jahrgang, und zwang sich mit aller Mühe, ihre Wut im Zaum zu halten.
„Nun“, sagte ihre Tante Helen verschnupft und brach damit das unangenehme Schweigen, das im Raum hing, seit Becca eingetreten war. „Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Ganz ohne Frage.“
Sonst war niemand in dem großen, ein wenig kühlen Raum. Theo und Bradford hatten sich irgendwo zurückgezogen. Sicher, um ihre Kontostände zu vergleichen, stellte Becca sich verbittert vor, oder um zu überlegen, wer mehr Leben ruiniert hat als der andere. Also blieb es der kritischen Helen überlassen, das Empfangskomitee zu spielen.
Sie saß auf einem der steifen, wenig einladend aussehenden Stühle in der Nähe des steinernen Kamins und legte missbilligend die Stirn in Falten. Wobei Becca wieder einmal die große Ähnlichkeit mit dem Gesicht ihrer Mutter auffiel. Aber Caroline war niemals so verhärtet und verbittert gewesen wie diese Frau.
„Kaum zu glauben, dass so etwas möglich ist“, fuhr Helen fort. „Schließlich warst du bei deinem letzten Besuch hier in einem unmöglich verwahrlosten Zustand.“
„Vermutlich willst du damit andeuten, dass ich ärmlich ausgesehen habe“, sagte Becca ruhig, doch ihre Finger krampften sich so fest um den Stiel ihres Weinglases, dass sie glaubte, es müsse zerbrechen. Sie lockerte ihren Griff ein wenig. „Was ich verstehen kann, wenn ich du wäre, weil für dich jeder in diese Kategorie fällt, der nicht über einen Privatjet oder mehrere Zweitwohnsitze verfügt. Der Rest der Menschheit nennt so etwas schlicht normal .“
Die ältere Frau starrte sie an, ihre Miene ein Abbild tiefer Beleidigung. Sie war genau wie alle anderen Frauen, die sich in der gleichen Lage wie sie befanden, all die Upperclass-Damen mit ihrem glänzenden Stammbaum, ihren Unmengen an Geld, ihrer allgegenwärtigen Aura von Überlegenheit. In der Wahl ihrer Kleidung bevorzugte ihre Tante dementsprechend zurückhaltende Eleganz, genauso wie bei der Frisur, die ihr schmales, mittelmäßig attraktives Gesicht umschmeichelte.
„Zu schade, dass Theo nichts an deinem Benehmen verbessern konnte“, sagte Helen herablassend. Ihr Lächeln wirkte messerscharf und ausgesprochen falsch. „Aber vielleicht ist das das Äußerste, was man aus so einer wie dir herausholen kann.“
Becca war wie erstarrt und gleichzeitig voller Zorn – eine schreckliche Mischung. Sie zwang sich, mit Larissas blutleerer Nonchalance zu einem der Sofas zu gehen, sank darauf nieder und setzte ein ausdrucksloses Gesicht auf, ehe sie Helens Blick wieder begegnete.
„Manchmal ist es wirklich schwer, einem Bauerntölpel etwas beizubringen“, gab sie scheinbar mitfühlend zurück, während ihre Stimme vor Spott triefte. „Es ist furchtbar schwer für so einen Menschen, die Form von Snobismus zu erlernen, die den Menschen, die über ihm stehen, förmlich im Blut liegt.“
„Mochte sie auch ihre Fehler gehabt haben“, meinte Helen, hob die Brauen und sah aus, als wäre es eine Heldentat, Beccas letzte Worte überhört zu haben, „war Larissa zumindest in der Lage, sich wie eine Whitney zu benehmen, wenn es darauf ankam.“
Becca schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass es dich genauso verletzen muss wie mich“, entgegnete sie in einem Ton, als würde sie diese Frau fast bemitleiden. „Aber ich bin tatsächlich eine Whitney. Dass du deiner einzigen Schwester den Rücken gekehrt hast und all deine Schätze in dieser Gruft verschließt, die du dein Heim nennst, macht dich nur traurig. Aber deshalb bin ich nicht weniger deine Nichte.“
Sie hatte erwartet, dass Helen nach Luft schnappen oder sogar in Ohnmacht fallen würde. Aber die ältere Frau überraschte sie. Tatsächlich lächelte sie verhalten, und der Anflug von Sehnsucht nach Vergangenem gab ihrem Gesicht einen völlig anderen Ausdruck. Unerwartet wirkte sie in diesem Moment wie ihre Schwester. Becca kämpfte gegen die Gefühle an, die in ihr aufzusteigen drohten.
„Du siehst deiner Mutter überhaupt nicht ähnlich“, sagte Helen nach einer Weile. „Sie kam nach der Familie unseres Vaters, so wie der Rest von uns. Aber du klingst genau wie sie.“
Diesmal war die Stille, die folgte, nicht so angespannt, jedoch nicht weniger befrachtet mit der Last der
Weitere Kostenlose Bücher