Julia Extra Band 366
Vergangenheit. Becca senkte den Blick auf ihren Wein, als könnte die goldene Flüssigkeit all ihre Probleme lösen und die Geister verscheuchen. Wahrscheinlich war das alles, was sie von der glücklichen Wiedervereinigung der Familie erwarten konnte, nach der sie sich als Kind so sehr gesehnt hatte. Sicher, das verlorene Kind wurde nicht liebevoll an die Brust gedrückt – aber es war zumindest etwas.
„Du hast wirklich eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Larissa“, sagte Helen nach einem Augenblick und setzte sich auf dem Stuhl zurecht. „Theo hat seine Sache großartig gemacht, wie immer.“
„Ein talentierter Mann“, gab Becca trocken zurück, bereute ihre Worte aber sofort, als sie den wissenden Blick ihrer Tante auffing.
„Ich kenne keinen Mann, der so getrieben, so rücksichtslos ist wie Theo“, sagte Helen bewusst. „Er lässt sich durch nichts von seinem Ziel abbringen. Und durch niemanden.“
Becca fühlte sich entsetzlich bloßgestellt – so wie in dem flammenden Blitzlichtgewitter der Paparazzi. Wie konnte Helen wissen, was zwischen ihnen vorgefallen war? Ob es in ihrem Gesicht geschrieben stand? Aber das konnte nicht sein. Schließlich hatte sie in den vergangenen Wochen hart daran gearbeitet, nur das zu zeigen, was sie zeigen wollte. Und das hieß in ihrem Fall, dass sie den Geist eines Mädchens verkörperte, das vor anderen nie aus der Rolle fiel.
„Das klingt nach einer Idealbesetzung für den Chefposten des Familienunternehmens“, gab Becca knapp zurück. „Gratuliere.“
„Zudem gehört er auch nicht zu den Männern, die sich mit einem Ersatz zufriedengeben“, fuhr Helen in dem gleichen höflichen Ton fort, der jedoch von Schärfe untermalt war. Jede Zärtlichkeit, die sie für einen kurzen Moment verbunden haben mochte, war verschwunden, als hätte Becca sich dies nur eingebildet. „Du hast ja gesehen, wie er lebt. Theo verlangt nur das Beste. Und er bekommt es auch. Etwas anderes kommt nicht infrage.“
Becca konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. War sie amüsiert? Oder war es Entsetzen, weil diese Frau all die Ängste ansprach, die sie selbst nicht in Worte fassen wollte?
Sie zwang sich, Helen anzusehen, zwang sich zu einem ausdruckslosen Blick. „Entschuldige meine Frage, aber soll das eine Warnung sein?“
„Er ist nicht deine Kragenweite“, meinte Helen mit einer Stimme, die wohl freundlich klingen sollte, in Beccas Ohren jedoch nichts als herablassend war. Helen zuckte die Schultern. „Das ist kein Werturteil, sondern lediglich eine Tatsache. Man kann Dinge schnell missverstehen oder falsch interpretieren.“ Ihr Blick wirkte verschlagen, als sie von ihrem Wein nippte. „Oder sich viel zu schnell vergessen.“
Becca hätte vorgeben können, nicht zu verstehen. Auch wenn Helen vielleicht keine Einzelheiten wissen mochte, brachten ihre nebenbei dahingeworfenen Vermutungen Beccas Blut zum Kochen. Denn selbstverständlich würde die arme naive Verwandte sich in einen Mann wie Theo verlieben, ohne zu begreifen, dass sie in diesem Spiel mit dem hohen Einsatz nur als Ersatz diente. Natürlich nahm Helen an, dass sie dumm war. Für sie waren grundsätzlich alle dumm, die sich nicht in ihrer Welt bewegten.
Dass sie in ihrem Urteil ausnahmsweise recht hatte, damit wollte Becca sich jetzt, in Gegenwart dieser Frau, nicht auseinandersetzen.
„Du gehst offenbar davon aus, dass ich das haben will, was du hast“, schnappte Becca. „Was Larissa hat. Aber das stimmt nicht.“ Ihr Lachen klang nun ein wenig verbittert. „Ich will nichts zu tun haben mit deiner glitzernden, verlogenen Scheinwelt, das versichere ich dir.“
„Wenn du das sagst.“ Helen erhob sich, ihre Haltung beherrscht und abweisend. „Aber das ändert nichts an den Tatsachen, nicht wahr?“
10. KAPITEL
Die Zeit war gekommen.
In Grübeleien versunken saß Theo an dem langen Esstisch, während er beobachtete, wie seine perfekte Schöpfung, seine Becca, brillierte. Sie verkörperte Larissa genau so, wie er es sie gelehrt hatte. Für ihn war sie sogar mehr als Larissa. Sie war lebendiger, funkelnder als ihre Cousine es je gewesen war.
Was bedeutete, dass er es geschafft hatte. Er hätte jubilieren sollen. Dieser verrückte Plan schien in seinem Erfolg seine kühnsten Träume zu übersteigen. Er hatte sich einen eigenen kleinen Geist erschaffen, und jetzt war es an der Zeit, dass dieser seine Funktion erfüllte. Spukte. Verwirrung stiftete. Und dafür sorgte, dass er, Theo, die Anteile
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