Julia Extra Band 368
Katherine das Gefühl, als könnte er direkt in sie hineinschauen.
Die Legende beschrieb ihn mal als Dämon, mal als eine Art Gott. Während sie ihn jetzt ansah, verstand sie, warum. „Ich hatte angerufen.“ Allerdings hatte sie nur mit Zahirs Berater gesprochen. Und wirklich eingeladen worden war sie auch nicht.
„Ich hätte nicht erwartet, dass Sie Ihr komfortables Schloss verlassen und den weiten Weg auf sich nehmen, nur um eine persönliche Ablehnung Ihres Antrags zu erhalten. Ich war der Ansicht, ich hätte meine Meinung deutlich genug gemacht.“
Sie reckte die Schultern. „Ich denke, Sie schulden mir ein Gespräch. Und ich kam auch nicht her, um abgewiesen zu werden, im Gegenteil. Ich erwarte, dass der Vertrag, der vor sechs Jahren geschlossen wurde, eingehalten wird.“
„Sie sollten Malik heiraten, nicht mich.“
Trauer überkam sie, wie immer, wenn sie an Malik dachte. Aber es war Trauer um ein junges Leben, das so früh ein Ende gefunden hatte, mehr nicht. Es war ihre Pflicht gewesen, Malik zu heiraten, und ja, sie hatte ihn gemocht, aber geliebt hatte sie ihn nicht.
Zuerst hatte sie geglaubt, ihr ständen alle möglichen Wege für die Zukunft offen, doch inzwischen wusste sie, dass sich nichts geändert hatte. Es war noch immer ihr Schicksal, für das Wohl ihres Landes verkauft zu werden. Das hatte sie längst akzeptiert. Welchen Bräutigam sie bekommen würde, war ihr letztendlich gleich. Statt Malik sollte es nun Zahir sein.
Wenn sie ihn allerdings jetzt anschaute, traten diese Gedanken in den Hintergrund. Die Realität sah anders aus als alle Theorie. Zahir war … Er wesentlich mehr , als sie sich vorgestellt hatte.
„Bisher hatte ich auch geglaubt, dass es nur um Ihren Bruder und mich ging. Doch als ich die Dokumente etwas genauer studierte …“ Ihr Vater hatte sich um alles gekümmert. Sie hatte es nicht sonderlich interessiert, war es doch nie um ihre Gefühle gegangen, sondern immer nur um einen Zusammenschluss für die Staatsräson. Sie hatte akzeptiert, dass eine Heirat die eine Pflicht war, die sie für ihr Land erfüllen konnte. Sie hatte sich die Dokumente nie selbst angesehen.
Bis vor Kurzem.
„Die Vereinbarung wurde mit Malik getroffen, das ist richtig. Doch wenn Sie sich den Wortlaut genauer ansehen, steht dort: ‚Für den Fall, dass Malik nicht den Thron von Hajar besteigt, soll die Heirat mit seinem Nachfolger stattfinden.‘ Und das sind Sie.“
Es war geradezu unsinnig: Da bettelte sie praktisch darum, dass er sie heiratete, wenn doch alles in ihr danach schrie, sich umzudrehen und zu gehen. Sie wollte ihn genauso wenig heiraten wie er sie.
Aber ihr Vater hatte nicht mehr lange zu leben, deshalb wurde die Zeit knapp. Nach Maliks Tod war die Hochzeit in eine ferne Zukunft verschoben worden, niemand hatte sie damit behelligt. Eine Zeit lang hatte sie sich auf andere Art nützlich machen können, hatte die Kranken in den Kliniken besucht, hatte Wohltätigkeitsprojekte geleitet. Diese Zeit war nun vorüber.
Ihrem Vater blieben nur noch wenige Monate, und bis Alexander, ihr Bruder, alt genug war, um die Herrschaft übernehmen zu können, würde es noch fünf Jahre dauern. Das hieß, irgendjemand musste diese Spanne als Herrscher überbrücken. Ihr war es aufgrund ihres Geschlechts nicht erlaubt.
Sie war lange darüber hinweg, deswegen verbittert zu sein. Und sie war zum Handeln bereit. Falls sie vor dem Tode ihres Vaters nicht mit einem Ehemann aufwarten konnte, würde der nächste männliche Verwandte die Regentschaft an sich reißen. Und was dieser männliche Verwandte mit der Macht anstellen würde, daran wagte sie gar nicht zu denken.
Sie hatte ihrem Vater versprochen, dass dies nie passieren würde. Genau, wie sie versprochen hatte, Alexander zu schützen. Ein Versagen konnte sie sich nicht erlauben, war sie in den Augen der öffentlichen Würdenträger doch so oder so minderwertig. Selbst in den Augen ihres Vaters … Ihr Vater hatte immer mehr von ihr verlangt als von Alexander, hatte sie seltener gelobt als den Sohn, der offensichtlich nichts falsch machen konnte. Sie hatte sich ständig beweisen müssen, aber es tat ihr nicht leid. Sie hatte ihrem Land, ihrer Familie, ihrem Volk gedient. Es hatte sie zu dem Menschen gemacht, der sie heute war. Und das war gut so, denn sie war die einzige Hoffnung für ihr Land. Für ihren Vater und für ihren Bruder.
Sie durfte sich jetzt, auf dem letzten Abschnitt vor dem Ziel, keine Steine in den Weg legen
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