Julia Extra Band 371
zusammen. In so einem Laden hatte er noch nie zuvor gegessen. Der gewaltige Graben, der sich zwischen ihren jeweiligen Lebensstilen auftat, irritierte ihn. In die Rolle eines anderen Menschen zu schlüpfen, brachte ungeahnte Herausforderungen mit sich.
Erleichtert, dass sie zu Hause nicht mehr kochen musste, betrat Rosie das Selbstbedienungsrestaurant. Wegen der langen Öffnungszeiten war es vor allem bei Schichtarbeitern beliebt. Rosie nahm ein Tablett vom Stapel und sah sich nach Alex um. Er stand hinter ihr und schaute sich mit großen Augen im Lokal um.
„Man bedient sich selbst?“, fragte er verwundert.
Wortlos drückte Rosie ihm ein Tablett in die Hand und reihte sich in die Schlange der Wartenden ein. Von einem nahegelegenen Tisch her starrten drei Frauen begeistert zu Alex hin. Er dagegen schien das unverhohlene Interesse nicht zu bemerken, denn er schaute angestrengt auf die Speisekarte an der Wand. Er ist fast schon zu attraktiv, dachte Rosie versonnen.
Sie kannte dieses Gefühl von den Fotos her, die sie von ihrem Vater Troy Seferis besaß. Ihr Vater war äußerst attraktiv gewesen, und das hatte seinen Charakter verdorben. Zeit ihres Lebens war Rosie deshalb bei schönen Männern argwöhnisch gewesen. Jetzt überlegte sie zum ersten Mal, ob sie sich dabei nicht von einem Vorurteil hatte leiten lassen. Alex war ihr bei Jason selbstlos zur Hilfe geeilt, und er kam ihr absolut nicht eitel oder oberflächlich vor. Mit seinem schwarzen Haar, dem markanten bronzefarbenen Gesicht und dem durchtrainierten Körper war er ein Bild von einem Mann. Und er war mit ihr hier. In einem Anflug von Selbstbewusstsein warf Rosie die Schultern zurück und lächelte zufrieden.
An der Kasse wollte Rosie für ihr eigenes Essen zahlen, was ihren Begleiter sichtlich verstimmte.
„Wenn ich dabei bin, bezahlt keine Frau selbst“, erklärte er arrogant und drückte der Kassiererin das Geld in die Hand.
Rosie kniff die Lippen zusammen. Sie fühlte sich überrumpelt. Als sie Besteck und Serviette nahm, stand Alex unschlüssig neben ihr. Rosie verdrehte innerlich die Augen und legte Besteck auf sein Tablett. Für einen erwachsenen Mann wirkt er manchmal ganz schön weltfremd, dachte sie, als sie vorausmarschierte, um einen freien Tisch zu suchen.
„Warum wollten Sie nicht, dass ich Ihr Essen bezahle?“, fragte er, sobald sie sich gesetzt hatten.
„Wenn ich mit einem Mann essen gehe, bezahle ich immer selbst“, erklärte sie steif. „So gibt es keine Missverständnisse.“
Er musterte sie unter langen schwarzen Wimpern. Oh ja, dieses Mädchen würde Sokrates gefallen. Sehr sogar. Allerdings fand Alexius ihre Einstellung eher befremdlich. „Erzählen Sie mir alles über diesen Jason“, verlangte er.
„Bis vor zehn Tagen habe ich mir mit meiner Freundin Melanie eine Wohnung geteilt. Jason war Mels Freund. Eines Abends hielt er mich in der Küche fest und versuchte, mich zu küssen. In diesem Moment kam Mel herein“, berichtete Rosie und verdrehte bei der unschönen Erinnerung die Augen gen Himmel. „Mel gab mir die Schuld und meinte, ich hätte ihn dazu ermuntert. Dann sagte sie mir, ich solle ausziehen. Ich dachte, sie würde sich wieder beruhigen, wenn sie erst einmal eine Nacht darüber geschlafen hatte. Aber am nächsten Morgen kam sie in mein Zimmer, behauptete, ich hätte ihr den Freund ausspannen wollen, und fing an, meine Sachen zu packen. Sie hat mich vor die Tür gesetzt …“
„Und Jason?“
„Sie hat ihm verziehen. Zumindest dachte ich das. Doch vorhin meinte er, sie hätten sich getrennt“, erklärte sie. „Ich möchte auf jeden Fall nichts mit ihm zu tun haben.“
„Er scheint Probleme mit seiner Selbstbeherrschung zu haben“, bemerkte Alexius trocken.
„Kommen Sie aus Griechenland?“, fragte sie plötzlich. „Als Sie vorhin mit dem Arzt sprachen, meinte ich, ein paar Wörter verstanden zu haben.“
Er zuckte zusammen. „Sie sprechen Griechisch?“
„Nur ein paar Sätze für Touristen“, erklärte sie und senkte den Kopf. Eine Haarsträhne löste sich und fiel ihr über die Wange. „Ich habe mal einen Kurs belegt, aber die Sprache war doch schwieriger als erwartet.“
„Warum Griechisch?“ Zu seiner Überraschung stellte Alexius fest, dass er es sogar genoss, in dem schäbigen kleinen Restaurant zu sitzen, solange Rosie ihm gegenübersaß und er ihr hübsches Gesicht mit den wundervollen Augen betrachten konnte.
Auch Rosie betrachtete ihn. Bartstoppeln zeichneten sich an seinem
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