Julia Extra Band 371
Aufhebens um ihre Person zu machen. Deshalb wunderte sie sich insgeheim, dass Alex Kolovos ein so großes Theater veranstaltet hatte, als wäre sie schwer verletzt.
„Alles in Ordnung“, erklärte sie Alex, der aufsprang, als Rosie das schicke Wartezimmer betrat. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass sein dunkler Nadelstreifenanzug wie angegossen saß. Der Schnitt betonte seine breiten Schultern, schmalen Hüften und langen Beine. Hitze stieg in Rosies Wangen, da ihr bewusst wurde, welcher Graben sich zwischen ihren beiden Gesellschaftsschichten auftat.
Der Arzt trat aus dem Behandlungszimmer und wechselte mit Alex ein paar Sätze auf Griechisch. Rosie verstand einzelne Wörter, da sie vor ein paar Jahren Griechischunterricht genommen hatte. Während der Unterhaltung warf der Arzt gelegentlich einen abschätzenden Blick in ihre Richtung. Er schien sich zu wundern, wieso Alex sich mit einer Person abgab, die ganz offensichtlich nicht seinem gesellschaftlichen Stand angehörte. Rosie errötete.
„Dr. Vakros behandelt vermutlich nur Privatpatienten“, bemerkte Rosie auf dem Weg nach draußen.
„Ja.“
„Er wird Ihnen die Behandlung doch nicht in Rechnung stellen, oder?“, fragte sie besorgt.
„Nein, er sieht das als Freundschaftsdienst.“
„Da bin ich aber froh“, sagte sie ein wenig befangen. „Ich mache mich jetzt besser auf den Weg. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“
„Ich bringe Sie nach Hause“, verkündete Alex und ließ sich von dem Fahrer die Autoschlüssel geben.
„Das ist wirklich nicht nötig. Ich habe Sie schon lange genug aufgehalten.“
Alex warf ihr aus hellgrauen Augen einen strengen Blick zu. „Ich möchte Sie aber nach Hause bringen.“
Die Art, wie er es sagte, duldete keine Widerrede. Rosies Wangen färbten sich dunkelrot. Warum nahm er ihretwegen solche Mühen auf sich? War er nur ein barmherziger Samariter oder wollte er mehr von ihr? Aber was konnte er an ihr schon finden? Sie war winzig und flach wie ein Brett. Kein Mann hatte sich je nach ihr umgedreht. Beschämt von den eigenen Gedanken stieg sie auf den Beifahrersitz und schnallte den Sicherheitsgurt um. Er startete den Motor, hatte allerdings Schwierigkeiten mit der Gangschaltung und schimpfte auf Griechisch.
„Das Auto ist neu. Ich bin noch nicht oft damit gefahren“, entschuldigte er sich. Innerlich fluchte er, dass er so selten selbst fuhr. Seit seiner Kindheit hatte ihm ein Chauffeur zur Verfügung gestanden.
Rosie war bemüht, bei dieser Ausrede nicht zu lächeln. Insgeheim fragte sie sich, was das zu bedeuten hatte. Alex musste sich zwar das Büro mit einem Kollegen teilen, verfügte aber über einen eigenen Firmenwagen mit Chauffeur. Hatte er bei STA Industries etwa doch eine gehobene Position inne? Sie ließ den Blick aus dem Fenster schweifen und bemerkte, dass sie in die falsche Richtung fuhren.
Sie hatte vergessen, ihm die Adresse zu geben, und holte das Versäumnis sofort nach.
Bald wurde ihr klar, dass er sich im Londoner Straßenverkehr überhaupt nicht zurechtfand. Also lotste Rosie ihn durch die Stadt und zuckte jedes Mal zusammen, wenn er an einer Ampel den Motor abwürgte.
„Wollen Sie mit mir essen gehen?“, fragte er wie beiläufig, als sie fast bei Rosies Wohnung angelangt waren.
Überrascht über die Einladung warf Rosie ihm einen unsicheren Seitenblick zu. Im selben Moment knurrte ihr leerer Magen, und sie versuchte das Geräusch durch einen gespielten Hustenanfall zu übertönen. „Danke, ich habe schon gegessen“, antwortete sie schnell.
„So wie sich das anhört, sind Sie genauso hungrig wie ich“, bemerkte Alex amüsiert.
Der Hustenanfall hatte ihn also nicht getäuscht. Wieder errötete Rosie. Nie hatte sie sich in der Nähe eines Mannes so unsicher gefühlt. Der Zufall hatte sie zusammengeführt, und er hatte sie spontan eingeladen. Warum sollte sie nicht darauf eingehen? Ein Essen verpflichtete sie schließlich zu nichts.
„In der Nähe meiner Wohnung gibt es ein kleines Lokal“, erklärte sie. „Nichts Besonderes, aber das Essen ist gut.“
„Okay.“ Alex fuhr den Wagen in eine Parkbucht. Er hatte bei Rosie wieder Boden wettgemacht und würde sein eigentliches Ziel hartnäckig verfolgen. Da die Aufgabe seines Patenonkels erfüllt war, konnte er Sokrates nicht länger als Vorwand benutzen, Zeit mit ihr verbringen zu wollen. Jetzt würde Alexius tun, wonach ihm der Sinn stand. Als er das schäbige Restaurant in der heruntergekommenen Straße erblickte, zuckte er innerlich
Weitere Kostenlose Bücher