Julia Extra Band 377
neben ihn und richtete den Blick auf ihn. „Warum hast du den Anruf deiner Mutter am Todestag deines Vaters nicht angenommen?“
Das war wie ein schneller Doppelschwinger, der ihn mitten in die Brust traf. Sein Mund stand noch weiter auf, bis er sich zusammenriss und die Lippen grimmig zusammenpresste.
„Verdammt, Amber.“ Mühsam rappelte er sich auf einen Ellbogen auf. „Wir sind doch kein Paar.“ Er war mehr als frustriert – und konnte sich nicht einmal mit der Hand durchs Haar fahren. „Mach mich los. Ich will nicht …“
Sanft legte sie die Hand an seine Wange, ihr Daumen berührte seinen Mundwinkel, und Parker erstarrte, unfähig, irgendetwas anderes zu tun, als wie ein Idiot zu blinzeln.
Dabei wollte er fluchen und wüten und toben. Das Verständnis in ihren Augen ging ihm gegen den Strich, die Tatsache, dass er hier festsaß, machte ihn wütend. Doch als er in ihr Gesicht sah, brachte er nicht mehr zustande als ein schwaches Rasseln an den Handschellen.
„Warum?“, wiederholte sie ihre Frage.
Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Die süße kleine Amber wollte die Wahrheit hören? Also sollte die süße kleine Amber auch die Wahrheit zu hören bekommen!
„Du hast mir an dem Tag doch nachspioniert. Du hast doch gehört, was sie gesagt hat.“
„Etwas habe ich mitbekommen, ja.“
Da er nicht wusste, was genau sie verpasst hatte, beschloss er, ihr einfach alles zu sagen. „Meinen Vater zu heiraten, war ein Fehler.“ Die nächsten Worte kamen heftiger heraus, als er beabsichtigt hatte. „Ich war ein Fehler.“ Die Worte hallten im Raum wider. „Ich habe alles verkörpert, was meine Mutter falsch gemacht hat, alles, was sie bereut hat.“
Es ist unwichtig.
Dieses Mantra hatte ihm in der Vergangenheit immer gut gedient. Schon als Kind hatte er gelernt, nur an der Oberfläche zu existieren und den Rest sicher in verschiedenen Schubladen zu verstauen. Denn der Rest war das, was einen einholte und einem den Boden unter den Füßen wegriss.
Sei höflich, aber lass niemanden sehen, dass du dich nach Wärme sehnst. Ein wenig Zuneigung von Zeit zu Zeit wäre zwar nett gewesen, aber Umarmungen waren nicht lebensnotwendig. Mit ungefähr zehn hatte Parker es aufgegeben, sich danach zu sehnen.
Weil es unwichtig war.
Oder zumindest hatte er sich das eingeredet.
Bis zu dem Sommer, als er es noch einmal versucht hatte. Da war er siebzehn gewesen. Doch die Jahre als Flegel, der nur beachtet wurde, wenn er Probleme machte, hatten ihren Tribut verlangt. Vielleicht hatte seine Mutter zu dem Zeitpunkt schon keine Zuneigung mehr für ihn empfinden können, selbst wenn sie es gewollt hätte.
„Sie hasste den Job meines Vaters“, sagte er, „und hatte nur Verachtung dafür übrig, wie er sein Geld verdiente.“ Und Parker hatte sie dafür verachtet, weil sie ein solcher Snob war.
„Und darum hast du den gleichen Beruf gewählt, nicht wahr?“ Noch immer hielt Amber die Hand an seiner Wange und strich über seine Lippen.
Sein Mund zuckte unter ihrer Berührung. „Anfangs vielleicht“, wiegelte er ab, obwohl er wusste, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Außerdem wurde diese verkrampfte Haltung langsam unbequem, also legte er sich wieder zurück. „Aber inzwischen …“
Aktuell war alles eher öde und trist. Richtigen Spaß hatte er schon lange nicht mehr. Dabei hatte es mal eine Zeit gegeben, in der es ihn enorm befriedigt hatte, den Opfern und ihren Familien Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
„Du warst schon immer gut darin, auf andere aufzupassen und sie zu beschützen“, sagte sie.
Er stieß ein ungläubiges Lachen aus und drehte den Kopf zu ihr. Noch immer lag ihre Hand an seiner Wange, und seltsamerweise begann diese tröstende Berührung ihm langsam zu gefallen. „Auf wen habe ich denn aufgepasst?“
„Auf Reese“, antwortete sie sofort. „Zumindest, als wir noch Kinder waren.“
Sie sah ihn an, mit dem gleichen Leuchten, das schon in ihren Augen gestanden hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Er kapierte es einfach nicht. Was hatte sie damals in ihm gesehen? Was sah sie heute in ihm?
„Und du hast dich um mich gekümmert …“
Parker brachte es nicht fertig, über jenen Sommer zu reden, als er das Haus seiner Mutter verlassen hatte und nie wieder zurückgekommen war. Als Siebzehnjähriger war er zu cool gewesen, um zuzugeben, dass er Reese und Amber vermisste. Und als Erwachsener war es zu spät und hätte keinen Unterschied mehr gemacht, die Wahrheit zu
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