JULIA FESTIVAL Band 89
mieten.“
„Nein, ich bin zufrieden mit meinem Apartment.“ Suzanne lächelte Nicole zu, die das Lächeln jedoch nicht erwiderte. „Da oben wohnt es sich prima. Jetzt, wo der eine Baum weg ist, hat man eine fantastische Aussicht über die Dächer der Stadt.“
„Ich habe kaum Freizeit, da bleibt mir wenig Gelegenheit, die Aussicht zu genießen.“ Nicole reichte Taylor das ausgefüllte Formular.
Taylor überflog die Einträge. „Sie sind Ärztin?“
„Chirurgin.“
Suzanne konnte nicht fassen, dass diese Frau, die jünger als sie selbst schien, bereits eine ausgebildete Chirurgin war. Aber Taylor sprach schon weiter, bevor Suzanne Nicole Fragen stellen konnte.
„Und Sie ziehen alleine ein, ja? Kein Mitbewohner?“
„Um Himmels willen, nein!“
Das klang so entrüstet, dass Taylor lachen musste.
Nicole dagegen blieb ernst. „Warum ist das so lustig?“
„Suzanne und ich sind auf derselben Wellenlänge wie Sie, das ist alles. Wir haben uns nämlich geschworen, Single zu bleiben, damit wir wegen der Männer keine grauen Haare bekommen.“
Nicole betastete sich ihre pechschwarzen Stachelhaare. „Den Schwur leiste ich auch gern.“ Jetzt lächelte sie. „Rufen Sie mich doch im Krankenhaus an, wenn die Wohnung bezugsfertig ist. Da erreichen Sie mich ohnehin fast rund um die Uhr.“
„Einverstanden.“ Taylor blickte Nicole nachdenklich hinterher, als diese die Treppe hinunter zur Haustür ging. „Ich finde, sie hat irgendetwas ganz Besonderes an sich.“
„Glaubst du, sie hat noch mehr Piercings?“, fragte Suzanne.
„Aua, hoffentlich nicht. Aber ich meinte auch eher dieses Gefühl, das ich hatte, gleich als ich sie sah. So eine Art Vorahnung, ähnlich wie bei dir.“
„Wirklich?“ Suzanne verzog die Mundwinkel. „Dachtest du, diese Frau soll sofort vom Grundstück verschwinden, sonst knallt mir ein Baum aufs Dach?“
Taylor lachte. „Nein, eher, sie könnte meine Freundin werden.“ Mit der Schulter stieß sie Suzanne an. „Genau so eine wie du.“
Vor Rührung musste Suzanne schlucken. „Du bist auch meine Freundin.“
„Freundin genug, damit du mir jetzt erzählst, was mit dir los ist?“
„Ach, nichts Besonderes.“
„Und deshalb hast du dunkle Ringe unter den Augen und verlierst kein Wort mehr über ihn?“
„Ich muss ja nicht zwangsweise ständig das Gespräch auf ihn bringen.“
„Ich wette, du sprichst nicht mal seinen Namen mehr aus.“ Als Suzanne nicht darauf reagierte, fuhr Taylor fort: „Ryan, Ryan, Ryan. Komm schon, das kannst du auch. Sag es. Ryan.“
„Bitte, können wir nicht über etwas anderes sprechen?“
„Natürlich.“ Taylor lächelte. „Wie läuft der Party-Service?“
„Der ist …“
„Nur ein Hobby“, fiel Taylor ihr ins Wort und schüttelte den Kopf. „Liebes, ich mag dich wirklich sehr, aber du weigerst dich ständig, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Kapier es endlich. Du hast inzwischen ein kleines Unternehmen, das praktisch von allein läuft, und dazu die Aussicht auf wirklich guten Sex. Wieso lehnst du dich nicht zurück und genießt das Ganze? Was könnte dir denn schlimmstenfalls passieren, wenn du einmal bloß glücklich bist?“
Ich könnte bloß scheitern, dachte Suzanne, aber das wäre schlimm genug.
11. KAPITEL
Zu dieser stürmischen Jahreszeit wurde Ryan mit Aufträgen regelrecht überhäuft. Gleichzeitig hatte er Prüfungen für sein Studium abzulegen, und dabei konnte er kaum an etwas anderes denken als an Suzanne.
Das passte ihm überhaupt nicht. Für heute nahm er sich vor, zehn riesige Palmen zu kappen. Im Moment war es sein dringendster Auftrag, denn er war schon seit Wochen überfällig.
Leider fuhr er mit dem falschen Wagen los, hatte deshalb die falsche Leiter dabei und musste wieder umkehren. Dadurch verlor er zwei wertvolle Stunden.
Am nächsten Tag ging ihm auf halbem Weg der Sprit aus, weil er vergessen hatte zu tanken, und er musste Russ anrufen, damit er ihn abschleppte. Wieder eine Stunde vertan.
Am dritten Tag vergaß er, Angel von der Schule abzuholen, obwohl er ihr das fest versprochen hatte. Jetzt vergaß er also schon seine eigene Schwester.
Der vierte Tag dann verlief ausnahmsweise einmal ohne Zwischenfälle, und das war für ihn schon Grund zum Stolz.
Zu Hause angekommen, empfingen ihn seine Brüder und seine Schwester mit so ernsten Mienen, dass ihm fast das Herz stehen blieb.
„Was ist passiert?“ Er dachte schon an eine ernste Krankheit oder einen Todesfall. Es musste etwas sehr
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