JULIA FESTIVAL Band 95
„Wahrscheinlich“, bestätigte sie, obwohl sie überzeugt war, dass es einen anderen Grund geben musste.
Die Kellner servierten Kanapees und Getränke. Elissa führte Kayla zu einem Stuhl in der Mitte des Raumes, auf dem sich die Geschenke stapelten.
Kayla blickte auf die zahlreichen Beweise der Freundschaft und schluckte. „Ich fange gleich an zu heulen“, sagte sie.
„Vorsicht, du verdirbst dein Make-up“, warnte Cheryl sie.
Fallon reichte ihr eine kleine rechteckige Schachtel. „Mach die zuerst auf.“
Eine handliche Digitalkamera lag darin.
„Damit du heute Abend fotografieren und morgen schnell einige Abzüge machen lassen kannst. Dann hast du unsere Fotos zur Erinnerung dabei, während du Prinz Albert verführst.“
Kayla nahm die Kamera in die Hand und machte eine Aufnahme von der ganzen Gruppe. Cheryl hatte ihren eigenen Apparat mitgebracht und forderte die Drillinge auf, sich nebeneinanderzustellen.
„Erstaunlich“, sagte Sarah. „Sie sehen wirklich fast gleich aus.“
„Ja, aber ich bin die schönste“, zog Fallon die anderen auf.
„Stimmt nicht“, antworteten Kayla und Elissa wie aus einem Mund.
Eine Stunde später war Kayla von Bergen von zerknülltem Papier und wunderbaren Geschenken umgeben. Es waren lauter praktische Dinge für ihre Reise, angefangen von einem Stromspannungswechsler für ihren Fön und ihren Lockenstab bis zu einem Wörterbuch mit französischen Redensarten und einem Nackenkissen für den Flug. Ein Stadtplan von Paris und Landkarten von Frankreich fehlten ebenso wenig wie ein Nähset und eine Reiseapotheke. Auch ein hübscher handgehäkelter Schal von Sarah lag dabei.
Das größte Geschenk, ein Kofferset, stammte von einem Gast, der noch nicht eingetroffen war. Wohl zum hundertsten Mal blickte Kayla durch den Raum und überlegte, was Patrick aufgehalten haben könnte.
Plötzlich begannen ihre Nackenhaare sich aufzurichten, und sie drehte den Kopf.
Patrick hatte sie noch nicht entdeckt, denn er sah sich suchend um. Langsam ging sie zu ihm, und seine Miene entspannte sich.
„Hi“, sagte sie zögernd, als sie nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, und überlegte, ob er sie heute wieder zurückweisen würde. Doch er breitete die Arme aus, und sie schmiegte sich glücklich an ihn und legte den Kopf an seine Schulter.
„Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, flüsterte er. „Ich hatte noch in der Klinik zu tun.“
„Ist alles in Ordnung?“
„Natürlich.“
Sein Tonfall machte sie stutzig, und sie hätte gern weitere Fragen gestellt. Verschwieg Patrick ihr etwas? Doch bevor sie den Mund öffnen konnte, ertönten die ersten Takte von „Smoke Gets in Your Eyes“ aus den Lautsprechern, und Patrick begann schweigend mit ihr zu tanzen.
Ihre Körper bewegten sich in vollkommener Harmonie, und sie seufzte zufrieden.
Geborgen in Patricks Armen, betrachtete sie die geliebten Menschen ringsum.
Elissa winkte und machte ein Foto von Patrick und ihr. Kayla freute sich, dass sie diesen Moment für immer bewahren konnte.
Sie dachte an das, was sie morgen um diese Zeit zurücklassen würde. Ihr Flugzeug ging am Abend und würde am frühen Vormittag in Paris eintreffen. Sie dachte an all die Sehenswürdigkeiten, die sie besichtigen würde, an die vielen neuen Menschen. Nach beinahe dreizehn Jahren würde ihr Traum endlich wahr werden.
Doch anstatt überglücklich zu sein, quälten sie zahlreiche Fragen. Tat sie das Richtige? Würde sie anschließend zu ihrem alten Leben zurückkehren können, oder würde man sie vergessen haben?
Mit „man“ meinte sie in Wirklichkeit Patrick, das war ihr klar.
Die Melodie endete, und ein neuer Song begann. Patrick drehte sich langsam mit ihr weiter. Kayla schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, dass sie in Paris war, in einem Straßencafé saß und die Leute beobachtete. Doch es gelang ihr nicht.
Nirgendwo ist es schöner als zu Hause …
Sie schmiegte sich enger an Patrick. Zu Hause. Machte sie einen gewaltigen Fehler?
Ihr Blick fiel auf die Geschenke, die ihre Freunde gebracht hatten. Ihre Tickets lagen bereit, das Hotelzimmer war reserviert, die Treffen mit der Enkelin von Sarahs Freundin und Patricks Pariser Bekannten waren abgestimmt. Alles war organisiert. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Der Vollmond schien ins Schlafzimmer. Kayla schlug die Laken zurück und setzte sich auf. Sie warf einen kurzen Blick auf den Wecker – beinahe ein Uhr. Vor zwei Stunden waren ihre Schwestern und sie
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