JULIA GOLD Band 32
einem anderen und kommst nicht zu mir?“
„Kahlil, bitte verzeih mir. Ich flehe dich an.“
„Erspare mir deine Entschuldigungen, Bryn. Dafür ist es ein wenig zu spät. Meinst du nicht auch?“1
„Ich wollte dir nicht wehtun. Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt.“
Er schnaubte. „Amin sagt, Ben sei sein Sohn.“ Seine Worte kamen wie Peitschenhiebe. „Wenn das so ist, dann hat Amin jedes Recht, den Jungen mit sich zu nehmen. Ich habe weder eine rechtliche Handhabe noch die moralische Verpflichtung, ihn für dich zurückzuholen.“
„Nein!“
„Die Suche ist abgeblasen worden.“
„Meine Güte, Kahlil“, schrie Bryn. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ben ist noch ein kleines Kind. Er muss schreckliche Angst haben.“
„Amin wird damit schon fertig.“
„Amin ist nicht Bens Vater. Du bist es. Ich bin nie mit einem anderen Mann zusammen gewesen! Und auch wenn du jetzt wütend bist, dann lass es nicht an Ben aus. Bestraf nicht ihn. Er kennt Amin nicht einmal!“
„Das ist nicht mehr mein Problem.“
„Nicht dein Problem? Du bist der Herrscher von Zwar. Dein Cousin hat dein Kind entführt. Und du sagst, dass sei nicht dein Problem? Wer herrscht denn in diesem verdammten Land?“
Kahlil schnappte nach ihrem Handgelenk und zog sie fast brutal an sich. „Weißt du eigentlich, mit wem du redest?“
„Mit meinem Mann!“ Tränen traten ihr in die Augen. „Meinem arroganten, hochmütigen und bornierten Ehemann. Weißt du, warum ich mich damals an Amin gewandt habe? Weil du mich ausgeschlossen hast. Du hast mich weder gesehen noch gehört noch hast du mit mir gesprochen. Ich war einsam, und ich konnte nicht gut allein sein, aber ich habe nie mit Amin geschlafen, und wenn du die Sicherheit deines Kindes aus verletztem Stolz heraus aufs Spiel setzt …“, sie holte tief Luft, „… ich schwöre, Kahlil, dann werde ich …“
„Was wirst du tun?
„Dann werde ich selbst nach ihm suchen. Ich werde nicht essen, schlafen und ruhen, solange ich Ben nicht gefunden habe.“
„Du bist hier im Mittleren Osten. Du hast kein Geld, kein Transportmittel, keine Freunde. Du wirst sie niemals finden.“
Ihr brach das Herz. „Warum hasst du mich so sehr? Weil ich schwach bin? Weil ich Bedürfnisse habe?“
„Deine Bedürfnisse haben dich in die Arme meines Bruders getrieben.“ Er lockerte seinen Griff ein wenig. „Du machst mich krank.“
Bryn hörte die letzten Worte nicht mehr, nur die ersten hallten in ihrem Kopf wider. Sein Bruder? „Du meinst, in die Arme deines Cousins.“
„Amin ist mein Bruder.“ Er schluckte. „Mein Halbbruder. Er ist ein Bastard meiner Mutter.“
Verblüfft hielt Bryn den Atem an. Sie spürte, dass Kahlils Stimmung am Gefrierpunkt angelangt war, sein Geständnis drückte Kummer und Wut aus. „Ich dachte, deine Mutter sei nach deiner Geburt gestorben.“
„Sie ist nicht gestorben. Jedenfalls nicht damals. Sie starb, als ich bereits auf der Highschool war. Als mein Vater entdeckte, dass sie eine Affäre mit seinem besten Freund hatte, schickte er sie ins Exil.“ Er senkte den Blick. „Mein Vater war gut zu ihr. Nach unseren Gesetzen hätte er sie töten können.“
„Wenn dein Vater wirklich gut gewesen wäre, dann hätte er dir die Mutter nicht weggenommen!“
„Meine Mutter hat meinen Vater betrogen. Sie musste die Konsequenzen tragen.“
„Nein, du musstest es tun! Sie hat einen Fehler gemacht, und du musstest darunter leiden. Genauso wie du Ben für meinen Fehler leiden lässt. Das ist nicht fair!“
„Das Leben ist nicht fair, Bryn. Es ist nie fair gewesen. Es ist ganz gut, wenn Ben das von klein auf lernt.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein.“
„Doch. Im Leben erlebt man immer wieder einen Tiefschlag. Ich war als Kind einsam. Ich habe darunter gelitten, aber es hat mich auch stark gemacht.“
„Du hast selbst unter der Einsamkeit gelitten, weißt, wie schlimm das ist, und trotzdem willst du deinem Sohn das antun?“
„Ich weiß nicht einmal, ob er wirklich mein Sohn ist.“
„Doch, du weißt es. Er ist dein Sohn. Du bist vielleicht wütend auf mich, aber du kannst dein eigenes Kind doch nicht leugnen.“
„Hast du mit ihm geschlafen, Bryn?“
Ihre Gefühle wechselten von Zorn zu Mitleid und schließlich zu Hilflosigkeit. „Nein, Kahlil, nein. Er hat mir nie etwas bedeutet. Weder damals noch jetzt.“
„Aber diese Zettelchen, sein Besuch in deinem Zimmer, das alles beweist doch, dass zwischen euch mehr als reine
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