Julia Gold Band 51
ihr gesehen habe.“
„Ich weiß …“, räumte Raschid zerstreut ein. Etwas von dem, was Lady Delahaye gesagt hatte, hatte ihn getroffen. Evie sah wirklich nicht wohl aus! Er wusste ja, dass sie sich in den vergangenen beiden Wochen unglücklich gefühlt hatte, aber unwohl – im Sinne von krank? Kalte Angst erfasste ihn.
„Entschuldigen Sie mich …“
Ärgerlich musste Lucinda Delahaye zusehen, wie Raschid sie stehen ließ und zielstrebig auf ihre Tochter zuging. Doch im nächsten Moment beobachtete Lucinda befriedigt, wie ihr Sohn und seine frisch vermählte Frau sich Scheich Raschid in den Weg stellten, bevor er sein Ziel erreichen konnte. Sie sah ihm die Enttäuschung an, während er dem Brautpaar lächelnd gratulierte – und sie sah Evie, die anscheinend so sehr in ihr Gespräch mit Harry vertieft war, dass sie nicht bemerkte, wie nah ihr der Geliebte war.
Guter Julian! dachte Evie zur gleichen Zeit, während sie so tat, als lauschte sie aufmerksam Harrys begeisterten Ausführungen über das neue Zuchtprogramm für sein Gestüt. Dabei war sie in Gedanken bei Raschid. Sie hatte bemerkt, dass ihre Mutter mit ihm gesprochen hatte, und die Gesichter der beiden hatten nichts Gutes vermuten lassen. Was immer ihre Mutter ihm gesagt hatte, es hatte Raschid veranlasst, sich unvermittelt zu verabschieden und geradewegs zu ihr, Evie, zu kommen. Das konnte nur eines bedeuten: Ihre Mutter machte Ärger.
„Du musst einmal vorbeikommen und dir ansehen, was wir geleistet haben“, sagte Harry gerade. „Seit deinem letzten Besuch hat sich sehr viel verändert, Evie.“
Evie hörte ein herzliches Lachen von Julian und Raschid und dazwischen Christinas helle Stimme, die überglücklich klang. Einmal mehr war Evie froh über die breite Krempe ihres Huts, die ihren neidischen Blick verbarg, weil sie sich so sehr wünschte, dort bei Raschid zu stehen und nicht hier bei Harry.
Harry, den sie einmal zu lieben geglaubt hatte. Doch inzwischen konnte sie sich kaum noch daran erinnern, denn ihre Liebe zu Raschid überwog alles.
„Aber deine Mutter hat mir erzählt, dass du nicht mehr oft nach Westhaven kommst“, hörte sie Harry sagen. „Hast du vielleicht Angst, mir zu begegnen?“
„Wie?“ Evie zwang sich, sich wieder auf ihr Gespräch mit Harry zu konzentrieren. „Sei nicht dumm, Harry! Wir waren einmal sehr gute Freunde, und ich dachte, wir wären es immer noch.“
„Ich habe dich mit meinem Heiratsantrag in Verlegenheit gebracht“, sagte er errötend.
Evie schüttelte den Kopf. „Ich habe mich sehr geehrt gefühlt – und war sehr traurig, dass ich deinen Antrag ablehnen musste. Aber es wäre nicht gut gegangen mit uns, Harry“, fügte sie freundlich hinzu. „Wir kannten uns zu gut, waren zu … vertraut miteinander.“
„Du meinst, es hat nicht geknistert.“ Er lachte gekünstelt. „Jedenfalls nicht so wie zwischen dir und deinem Scheich.“
Was hätte sie darauf antworten sollen? Also zog sie es vor, das Gespräch wieder auf Harrys geliebte Pferde zu lenken. Kurz darauf rief der Zeremonienmeister die vierhundert Gäste ins Festzelt, wo das Hochzeitsbankett serviert wurde.
Während der nächsten Stunden bekam Evie Raschid nicht mehr zu Gesicht, da ihr Platz am Tisch der engsten Familie, seiner inmitten der arabischen Würdenträger war. Für Evie zog sich der Tag endlos hin, während Gang um Gang die köstlichsten Gerichte serviert, Reden gehalten und die Champagnergläser immer wieder gefüllt wurden, damit man dem Brautpaar zuprosten konnte.
Als die Gäste schließlich allmählich aufbrachen, um sich für den Ball am Abend umzuziehen, fühlte Evie sich restlos erschöpft. Sie zog sich in ihr Zimmer zurück und gönnte sich ein ausgiebiges Bad in der altmodischen gusseisernen Badewanne, in der Hoffnung, dabei etwas Entspannung zu finden.
Doch es half nichts. Als es dann an der Tür klopfte, rief sie in Erwartung einer weiteren Moralpredigt ihrer Mutter nur sehr widerstrebend „Herein“ und zog sich rasch einen Satinmorgenmantel über den champagnerfarbenen Teddy, den sie unter der goldenen Ballrobe tragen wollte.
Wie groß war ihre Überraschung, als Raschid das Zimmer betrat!
4. KAPITEL
Evies entsetzte Miene veranlasste Raschid, die Tür nachdrücklich hinter sich zu schließen und den Schlüssel im Schloss umzudrehen. Dann lehnte er sich in provokanter Pose gegen die schwere Eichentür.
Raschid hatte seine fließende arabische Robe für den Abend gegen weltmännische Eleganz
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