Julia Gold Band 51
dich gewarnt, besser nicht hierherzukommen.“
„Und weil ich mich geweigert habe, mich zu verstecken, wie du es tust, werde ich bestraft, ja?“
So betrachtet, hatte er sogar Grund, sich gekränkt zu fühlen. „Du bist ein Mann“, versuchte Evie es ihm zu erklären. „Wenn du mit einer der begehrtesten jungen Frauen Englands ins Bett gehst, hebt das nur dein Ansehen, wohingegen man mich eine billige kleine Hure nennt.“
„Die Frau in dem fürchterlichen lila Kleid!“ Raschid begriff sofort. „Diese Worte passen zu ihrem sauertöpfischen Gesicht.“
Evie lächelte wider Willen angesichts dieser Beschreibung von Großtante Celia und drehte sich erneut zu Raschid um. „Fairerweise muss gesagt werden, dass sie dich einen barbarischen Weiberhelden genannt hat.“
Raschid zog spöttisch die dunklen Brauen hoch. „Und? Stimmst du ihr zu?“
„Oh ja!“ Evie lächelte vielsagend. „Aber ich mag es, wenn du barbarisch bist.“ Es durchzuckte sie heiß, als sie das bedeutsame Aufleuchten in Raschids Augen sah. „Ich muss jetzt wirklich gehen …“
Evie trat aus der schwülen Luft unter dem Baldachin in das strahlende Sonnenlicht draußen auf dem Rasen, wo eine festliche, fröhliche Stimmung herrschte. Das Brautpaar mit seinem engeren Gefolge stellte sich für die Fotografen auf, während die übrigen Gäste in kleinen Gruppen beieinanderstanden und dem Treiben zusahen. Eine kleine Armee von Kellnern in weißen Jacken reichte Champagner und versuchte mit den vollen silbernen Tabletts den Kindern auszuweichen, die übermütig über den Rasen tollten.
Während Evie mit Raschid unter dem Baldachin gestanden hatte, hatte die Band wieder zu spielen begonnen. Doch Evie bemerkte es erst jetzt, was sie nicht verwunderte. Wenn sie mit Raschid zusammen war, hörte die übrige Welt für sie auf zu existieren.
Julian hatte sie entdeckt und winkte sie energisch zu sich. Evie nickte lächelnd, ließ sich jedoch Zeit, seiner Aufforderung zu folgen. Ihr Bruder konnte ja nicht ahnen, dass sie nicht beabsichtigte, auf einem der offiziellen Hochzeitsfotos zu erscheinen.
Deshalb nahm sie im Vorbeigehen ein Glas Champagner von einem der Kellner entgegen und gesellte sich zu der erstbesten Gruppe von Gästen. Aus den Augenwinkeln registrierte sie, dass die Aufmerksamkeit ihres Bruders bald durch etwas anderes abgelenkt wurde. Lächelnd schlenderte Evie von Gruppe zu Gruppe, wobei sie lediglich um die arabischen Würdenträger einen Bogen machte.
Plötzlich berührte sie jemand zögernd am Arm. Höflich wandte sie sich um und blickte in das schüchterne Gesicht eines großen, gut aussehenden Mannes mit braunem Haar. Sofort erhellte ein ehrlich erfreutes Lächeln Evies Gesicht. „Harry! Wie schön, dich zu sehen!“ Spontan stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
Aus einiger Entfernung beobachteten zwei Menschen diese Szene mit unterschiedlichen Empfindungen. Lady Delahaye konnte ihre Befriedigung nicht verbergen, Raschid dagegen wurde von heftiger Eifersucht gepackt, als er sah, wie offen und liebevoll Evie den anderen Mann anlächelte. Raschid wusste natürlich, wer der andere war und was er Evie einst bedeutet hatte. Der Marquis von Lister und Evie kannten sich von Kindesbeinen an und waren als Teenager ein Pärchen gewesen – aber nie ein Liebespaar, wie Raschid sich in Erinnerung rief, während er zusah, wie Harry Evie einen Arm um die Taille legte.
„Er liebt sie immer noch“, sagte jemand dicht hinter ihm. „Sie hat ihm das Herz gebrochen, als sie ihn Ihretwegen verließ. Werden Sie ihr das Herz brechen, Scheich Raschid, wenn es für Sie an der Zeit ist, meine Tochter aufzugeben?“
„Ich frage mich, welche Aussicht für Sie reizvoller ist, Lady Delahaye“, erwiderte Raschid kühl lächelnd. „Dass Ihrer Tochter das Herz gebrochen wird oder dass ich sie verlasse?“
„Ich liebe Evie“, protestierte Lucinda pikiert.
„Tatsächlich? Dann verzeihen Sie, wenn ich Ihnen sage, dass man Ihnen das nicht anmerkt.“
„Sie hat ein Recht, mit stolz erhobenem Kopf an der Seite des Mannes zu stehen, den sie liebt, anstatt seine Gegenwart, koste es, was es wolle, meiden zu müssen!“
„Und wessen Schuld ist es, dass sie mich meidet?“, fragte Raschid provozierend. „Gewiss nicht meine.“
„Sie sieht nicht wohl aus“, entgegnete Evies Mutter unbeirrt. „Und ganz sicher nicht glücklich. Dieses Lächeln, das Harry gegolten hat, ist das erste ehrliche Lächeln, das ich heute bei
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