Julia Sommerliebe 0023
seine Befürchtungen bestätigen. Nein, er durfte auf keinen Fall aus Lust die Kontrolle verlieren. Das war ihm schließlich noch nie passiert, bisher hatte er sein ganzes Leben ausnahmslos im Griff gehabt.
Nur eben hatte er sich einen kurzen Moment lang gewünscht, die Kontrolle zu verlieren, alles zu vergessen und einfach zu fühlen …
Er begehrte Zoe so sehr, wie er noch nie eine Frau begehrt hatte. Und genau darin bestand die Gefahr. Er selbst war das Problem, er war zu schwach.
Leandro versuchte, sich zu beruhigen. Eines war ihm heute Nacht klar geworden, eine erschreckende Erkenntnis hatte er durch das Zusammentreffen mit Zoe gewonnen: Er war keinen Deut besser als sein Vater.
Zitternd ging Zoe in ihr Zimmer. Sie konnte sich kaum aufrecht halten. Der Mond tauchte die eine Hälfte des Raumes in ein sanftes Licht. In seinem silbernen Schein streifte sie Kleid und Unterwäsche ab, dann ließ sie sich aufs Bett fallen. Was war bloß los mit ihr? Sie kam sich vor, als hätte ihr jemand die Seele aus dem Leib gerissen und ihr einen Dolch durchs Herz gestoßen.
So tief hatte Steve sie nicht verletzt. Warum hatte sie es so weit kommen lassen, dass Leandro sie so tief berührte? Wie hatte das in so kurzer Zeit passieren können? Und seit wann genau war sie so verwundbar?
Ohne es richtig mitzukriegen, war sie emotional sehr tief in diese Sache gerutscht. Und jetzt war es zu spät, da wieder herauszukommen, das hatte ihr der Moment vorhin auf der Treppe bewiesen.
Sie schloss die Augen und sehnte sich danach, endlich in einen traumlosen Schlaf zu sinken, um ihren Schmerz nicht länger spüren zu müssen. Aber sie konnte einfach nicht einschlafen.
Stattdessen dachte sie immer wieder an Leandro. Daran, wie er sie voller Verlangen fixiert, ihr über die Wange gestrichen und ihr mit heiserer Stimme gestanden hatte, dass er sie nicht begehren durfte. Aber warum eigentlich nicht?
Immer wieder blickte Zoe zum Nachthimmel und wartete sehnsüchtig auf die Morgenröte. Ihren Erfahrungen zufolge nahmen sich Männer wie Leandro und Steve doch immer genau das, was sie im Moment gerade wollten, ohne über die Folgen nachzudenken. Wohlhabende, einflussreiche, arrogante Männer …
Jedenfalls hatte Steve sich ihr gegenüber entsprechend verhalten. Sie erschauerte, als sie sich daran erinnerte, wie er ihr ein paar zerknüllte Zwanzigdollarscheine auf das zerwühlte Bett geworfen hatte: für die „Dienste“, die sie ihm erwiesen hatte.
Während sie sich tatsächlich eingebildet hatte, dass sie eine Beziehung führten, hatte er sie bloß als Prostituierte betrachtet … als ein billiges Zimmermädchen im Hotel seines Vaters, das wenigstens manchmal auch für ein paar Extraleistungen gut war.
Zoe schloss die Augen und wünschte, sie könnte die Erinnerung damit vertreiben. Natürlich gelang das nicht. Immerhin hatte Steve ihr nicht das Herz gebrochen, aber ihr Stolz und ihre Selbstachtung hatten dadurch schweren Schaden genommen. Steves Verhalten hatte ihr nämlich gezeigt, was für einen Eindruck sie auf ihn gemacht hatte: den einer flatterhaften, leichtlebigen Frau. Einer Frau, wie ihre Mutter es gewesen war.
Dabei war Zoe sehr viel unerfahrener und viel weniger abgebrüht, als Männer wie Steve und Leandro wahrscheinlich annahmen. Aber die Tatsache, dass sie sie so einschätzten, verletzte sie trotzdem. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie mit ihrem Verhalten selbst zu diesem Bild beitrug. Aus reinem Selbstschutz natürlich! Bloß schien sie das nicht vor Verletzungen zu bewahren …
Jetzt stand sie kurz davor, denselben Fehler, den sie schon einmal mit Steve Rinault gemacht hatte, auch mit Leandro Filametti zu machen. Und diesmal drohten Schmerz und Enttäuschung sogar noch schlimmer zu werden.
Leandro ist aber ein ganz anderer Mensch als Steve, sagte sie sich. Abrupt setzte sie sich wieder auf und starrte aus dem Fenster auf den fahlen Mond.
Irgendetwas beschäftigt Leandro, dachte sie. Irgendetwas hat er zu verbergen. Warum will er unbedingt seinen Familiensitz verkaufen? Warum scheinen ihn alle Bewohner der Umgebung zu kennen? Rankte sich etwa ein Geheimnis um seine Familie? Und warum hatte er vorhin auf der Treppe so verzweifelt gewirkt, als sie ihm gesagt hatte, dass sie sich auf dieser Basis nicht mit ihm einlassen könne?
Immer wieder bewegte sie diese Fragen im Kopf. Erst, als der Morgen grau über dem See dämmerte, fielen ihr endlich die Augen zu, und sie sank in einen traumlosen Schlaf.
Zoe erwachte von
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