JULIA SOMMERLIEBE Band 20
geneckt, aufgezogen, sich einander das Herz ausgeschüttet. Aber noch niemals geflirtet.
So etwas machten gute Freunde nicht. Mit den Jahren war es ihm fast so vorgekommen, als hätte es den einen Moment auf der Abschlussfeier überhaupt nicht gegeben. Und das war vermutlich auch besser so.
Warum also gefiel ihm ihr Flirten? Weil er das prickelnde Gefühl genoss, dieses Kribbeln und die plötzliche Wärme in seinem Körper?
„Soso, das nennt der Chef also Arbeit. Man sieht’s.“
Hinter Judd war wie aus dem Nichts sein Assistent aufgetaucht. Tom Bradley begrüßte ihn, indem er ihm auf die Schulter klopfte. Judd wusste nicht, ob ihm die plötzliche Störung willkommen war oder ob sie ihn ärgerte.
„Ich bin gerade mitten in einer wichtigen Besprechung“, erklärte Judd eilig. Er warf Abby einen Blick zu, der ihr zu verstehen gab, dass er gleich wieder für sie da sein würde. Zufrieden stellte er fest, wie sie daraufhin errötete. Sie hatte zwar mit dem Flirten angefangen, aber sie schien immer noch ein wenig schüchtern zu sein. „Tom, darf ich vorstellen: Abby Weiss, unsere begnadete Stylistin.“
Toms verblüffter Gesichtsausdruck ließ Judd seinen Hocker instinktiv näher an Abby heranrücken. Zu spät wurde ihm klar, was er da gerade tat.
„Freut mich sehr, dich kennenzulernen“, sagte Tom und reichte Abby die Hand. Dann zog auch er sich einen Barhocker heran.
„Freut mich ebenfalls.“ Abbys Stimme klang völlig natürlich, sympathisch und höflich. Ganz normal also.
Dennoch spürte Judd zu seinem Erstaunen Eifersucht in sich aufsteigen. „Abby und ich sind zusammen zur Schule gegangen“, erklärte er kühl.
Toms Augen weiteten sich vor Überraschung. „ Die Abby?
Deine gute Freundin Abby?“
Judd nickte. „Genau die.“
Toms Blick wanderte zwischen ihm und Abby hin und her. „Ist das nicht toll? Nach so vielen Jahren könnt ihr beide endlich mal zusammen arbeiten.“
Abby lachte. „Ich frage mich, was dir Judd über mich erzählt hat. Hoffentlich nur Gutes.“
„Ausschließlich nur Gutes.“ Tom grinste. Dann winkte er dem Barkeeper und bestellte ein Bier. Schließlich widmete er Abby wieder seine volle Aufmerksamkeit. „Allerdings konnte er nicht in Worte fassen, wie bezaubernd du wirklich bist.“
„Oh, vielen Dank. Nett von Ihnen“, flachste Abby und kokettierte übertrieben mit ihrem Augenaufschlag. Sie und Tom kicherten, während Judd versuchte, seine Eifersucht zu zügeln.
Wahrscheinlich war er nur durcheinander von dem langen Flug. Er hatte sich doch sonst immer ganz normal mit Abby über ihre verflossenen Liebhaber unterhalten können. Gemeinsam hatten sie sich noch darüber lustig gemacht. Wie kam es nur, dass es ihn auf einmal störte, sie mit einem anderen Mann lachen zu sehen?
„Ihr beide wart also schon immer befreundet?“
„Schon immer“, bestätigte Judd, dankbar darüber, dass Tom das Thema wechselte.
Ihm war schon mehrfach aufgefallen, mit welcher Leichtigkeit sein attraktiver Assistent Frauen um den Finger wickelte. Tom war groß und blond, eine nordische Erscheinung. Und Judd wusste nicht, wie Abby auf seine Verführungskünste reagieren würde.
Was geht dich das überhaupt an?
Judd merkte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Ein angenehmer Schauer jagte ihm über den Rücken, als er Abbys bezauberndes Lächeln, ihr wallendes Haar und die attraktive Figur betrachtete. Was war nur los mit ihm?
„Und, wart ihr jemals mehr als nur Freunde?“
Abby gab einen Laut von sich, der sich wie eine Mischung aus Hüsteln und Schnauben anhörte. Dann versteckte sie sich hastig hinter ihrem Glas. Sie erwartete, das Judd darauf antwortete.
Toms Frage ließ den Abend, an dem Abby und er sich so leidenschaftlich in den Armen gehalten hatten, wieder lebendig werden. Und Judd hatte nicht die Absicht, seinem Assistenten davon zu erzählen.
Es war einfach zu gefährlich gewesen, damals. Seine Gefühle hatten ihn überwältigt. Nie hätte er gedacht, dass er zu so starken Empfindungen fähig sein könnte. Viel zu sehr hatte er es genossen, Abbys Körper so nah an seinem zu spüren. Damals hatte er alles auf die Hormone geschoben. Welcher 18-Jährige hätte nicht die Gelegenheit ergriffen, einem der attraktivsten Mädchen der Schule näher zu kommen?
Allerdings war Judd von der Intensität seiner Gefühle völlig überrumpelt gewesen. Und dann Abbys unglaubliche Reaktion auf seine Küsse: ihr zärtlicher Blick, ihre Wärme. Das alles hatte ihn Reißaus nehmen
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