Julia Sommerliebe Band 23
Kindheitserinnerungen.“
„Wirklich? Auch wenn das, was danach passiert ist, alles kaputt gemacht hat? Und es jetzt so aussieht, als wäre das alles gar nicht echt gewesen?“ Seine Worte klangen kalt und hart.
Zoe zuckte zusammen. „Aber wenigstens waren Sie überhaupt mal glücklich. Sie hatten eine Familie!“
„Was wollen Sie damit andeuten?“, hakte Leandro nach. „Sie hatten doch bestimmt auch Eltern?“
„Ja, ich hatte … habe … eine Mutter“, murmelte Zoe tonlos.
Einen Moment lang betrachtete Leandro sie fassungslos, dann griff er ihre eigenen Worte auf: „Und weiter?“
„Ich habe keine Ahnung, wer mein Vater ist.“ Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, und versuchte, so ruhig wie möglich weiterzusprechen: „Meine Mutter weiß das wahrscheinlich auch nicht.“
Noch nie hatte Zoe das jemandem erzählt, so sehr schämte sie sich dafür. Aber es tat gut, es jemandem anzuvertrauen – es Leandro anzuvertrauen. „Wir hatten auch keinen festen Wohnsitz. Weder eine Villa noch ein Haus oder eine Wohnung. Gar nichts.“
Leandro runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“
Zoe lächelte – wahrscheinlich genauso verkniffen, wie er eben gelächelt hatte. „Das können Sie sich nur schwer vorstellen, stimmt’s? Ihnen ist nämlich noch nicht mal bewusst, in was für einem Luxus Sie aufgewachsen sind. Und damit meine ich nicht mal Ihren Reichtum oder Ihr Ansehen. Ich meine Ihre Familie. Sie hatten Mutter und Vater und dazu auch noch eine Schwester … und wer weiß, was noch alles. Jedenfalls ein ziemlich normales Zuhause.“
„Mein Zuhause war alles andere als normal“, sagte Leandro barsch.
„Aus meiner Sicht hört sich das, was Sie erzählen, aber ziemlich schön an“, gab Zoe zurück. „Weihnachten, Partys, Fußball … Das klingt wie der Plot einer amerikanischen Fernsehserie über eine glückliche italienische Familie.“
„Tja … Nur leider musste ich bald feststellen, dass alles in Wirklichkeit ganz anders war.“
„Ja? Wie denn?“ Zoe verstand nicht so recht, warum es für sie so wichtig war zu erfahren, was mit Leandros Familie passiert war. Was hatte das eigentlich mit ihr zu tun?
Sie wusste es selbst nicht, konnte aber nicht mit ansehen, wie er einfach alles wegwarf. Selbst wenn er noch so schwer enttäuscht worden war. Da hatte er etwas so Wunderschönes in seinem Besitz und wusste es nicht zu würdigen. Sie musste ihm einfach klarmachen, was für eine einmalige Kostbarkeit er sein Eigen nennen konnte.
„Gut, dann erzähle ich Ihnen jetzt, was passiert ist“, sagte Leandro in einem beißend scharfen Ton. Zoe zuckte leicht zusammen. „Mein Vater hat alles verspielt. Alles zum Fenster hinausgeworfen.“
„Genau wie Sie jetzt.“
Sekundenlang herrschte eisiges Schweigen. Leandros Miene verfinsterte sich. „Wie bitte? Vergleichen Sie mich etwa gerade mit meinem Vater?“, erkundigte er sich langsam mit einer tödlich ruhigen Stimme.
Sofort wurde Zoe bewusst, dass sie ihm in diesem Moment nichts Schlimmeres hätte antun können. Sie hätte nichts Falscheres sagen können.
Trotzdem nahm sie nichts zurück, im Gegenteil. Dafür war sie selbst viel zu wütend. „Ein paar Ähnlichkeiten sehe ich schon“, bemerkte sie.
„Nein!“, rief Leandro. „Ich bin überhaupt nicht wie mein Vater! Kein bisschen!“ Es klang verzweifelt. „Überhaupt kein bisschen“, wiederholte er leise und eindringlich. In seinen Zügen spiegelten sich Wehmut, Reue und Angst.
„Was hat Ihr Vater denn so Schreckliches getan?“, fragte Zoe leise.
Leandro schwieg so lange, dass sie schon nicht mehr mit einer Antwort rechnete.
Dann reagierte er doch: „Wissen Sie, warum ich Sie engagiert habe?“, sagte er schließlich. Seine Stimme klang seltsam unbewegt, trotzdem spürte Zoe, wie aufgebracht und traurig er war.
„Heute Nachmittag haben Sie mir noch erzählt, dass sie mich eingestellt haben, weil ich keine Ahnung hatte, wer Sie sind“, erwiderte sie ruhig. „Weil ich für Sie eine absolut fremde Person war.“
„Ganz genau. Ich wollte hier eine Haushälterin haben, die noch nie etwas von dem Namen Filametti gehört hat. Die noch nie die vielen Geschichten von meinem Vater und seinen verdammten Flittchen in der Klatschpresse gelesen hat. Und die unsere Familiengeschichte weder als Tragödie noch als Lachnummer kennt.“
„Dafür haben Sie sich ja auch die Richtige ausgesucht“, erwiderte Zoe und bemühte sich, ruhig zu bleiben, obwohl Leandros Worte sie
Weitere Kostenlose Bücher