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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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meinem Ärmel wischte. Während meines Nickerchens hatte sich der Raum um mich herum gefüllt. Die Leute starrten mich an wie eine Obdachlose - mit einer Mischung aus Verachtung und Mitgefühl.
    »Keine Sorge«, sagte ich, während ich mich aufsetzte, »ich bin sowieso völlig am Ende.«
    »Hier!« Sie bot mir die Hälfte ihres Croissants an, vielleicht als eine Art Wiedergutmachung. »Bestimmt haben Sie Hunger.«
    Sie klang derart freundlich, dass ich sie überrascht anstarrte. »Danke.«
    Die Frau als elegant zu bezeichnen, wäre eine grobe Untertreibung gewesen. Alles an ihr war perfekt aufeinander abgestimmt, nicht nur die Farbe ihres Lippenstifts und ihres Nagellacks, sondern auch die goldenen Käfer auf ihren Schuhen, ihrer Handtasche und dem kleinen Hut, der keck auf ihrem perfekt frisierten Haar saß. Ihr amüsiertes Lächeln bestätigte meinen Verdacht, dass sie jeden Grund hatte, zufrieden mit sich zu sein. Wahrscheinlich war sie steinreich oder zumindest mit einem steinreichen Mann verheiratet. Jedenfalls sah sie aus, als hätte sie keine andere Sorge auf der Welt, als ihre erfahrene Seele mit einem sorgsam konservierten Körper zu tarnen.
    »Sie sind unterwegs nach Florenz?«, fragte sie mich mit starkern Akzent, der aber ausgesprochen bezaubernd klang. »Um sich die sogenannten Kunstwerke anzusehen?«
    »Genau genommen will ich nach Siena«, antwortete ich mit vollem Mund. »Ich bin dort geboren, aber seitdem nicht mehr dort gewesen.«
    »Wie wundervoll!«, rief sie aus. »Aber auch seltsam! Warum waren Sie denn so lange nicht mehr da?« »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Heraus damit! Sie müssen mir alles genau erzählen.« Als sie mein Zögern bemerkte, streckte sie mir die Hand hin. »Bitte entschuldigen Sie. Ich bin sehr neugierig. Mein Name ist Eva Maria Salimbeni.«
    »Julia - Giulietta Tolomei.«
    Sie fiel fast vom Stuhl. »Tolomei? Sie heißen Tolomei? Ich fasse es nicht! Das ist doch unmöglich! Moment mal ... wo sitzen Sie? Ich meine, im Flugzeug? Lassen Sie mal sehen ...« Sie warf einen Blick auf meine Bordkarte und nahm sie mir dann einfach aus der Hand. »Moment! Warten Sie hier!«
    Ich sah ihr nach, wie sie an den Schalter trat, und fragte mich, ob das wohl ein ganz normaler Tag im Leben von Eva Maria Salimbeni war. Vermutlich versuchte sie gerade, einen anderen Platz für mich zu organisieren, damit wir während des Fluges nebeneinandersitzen konnten. Dem Lächeln nach zu urteilen, mit dem sie zurückkehrte, war sie erfolgreich gewesen. »E voile !« Sie reichte mir eine neue Bordkarte. Nachdem ich einen Blick darauf geworfen hatte, konnte ich ein erfreutes Kichern nur knapp unterdrücken. Damit wir unser Gespräch fortsetzen konnten, musste ich natürlich in die erste Klasse umziehen.
    Als wir erst einmal in der Luft waren, brauchte Eva Maria nicht lange, um mir meine Geschichte zu entlocken. Die einzigen Punkte, die ich ausließ, waren meine doppelte Identität und der angebliche Schatz meiner Mutter.
    »Dann wollen Sie also nach Siena, um ... um sich den Palio anzusehen?«, meinte sie schließlich mit schief gelegtem Kopf.
    »Den was?«
    Meine Frage ließ sie vor Überraschung nach Luft schnappen. »Den Palio! Das Pferderennen. Siena ist berühmt für das Palio-Pferderennen. Hat Ihnen denn der Hausdiener Ihrer Tante - dieser kluge Alberto - nie davon erzählt?«
    »Umberto«, korrigierte ich sie. »Doch, ich glaube schon. Mir war allerdings nicht klar, dass es immer noch stattfindet. Als er davon sprach, hörte sich das nach einem mittelalterlichen Spektakel an, mit Rittern in schimmernder Rüstung und solchem Zeug.«
    »Die Geschichte des Palio«, antwortete Eva Maria mit einem zustimmenden Nicken, »reicht zurück bis in die ...« - sie musste erst nach dem richtigen Wort suchen - »... die Dunkelheit des Mittelalters. Heutzutage findet das Rennen auf der Piazza del Campo vor dem Rathaus statt, und die Reiter sind professionelle Jockeys. Man nimmt jedoch an, dass es sich ursprünglich um Edelleute handelte, die auf ihren Schlachtrössern die ganze Strecke von ihren Ländereien bis in die Stadt ritten und sich auf dem Platz vor der Kathedrale von Siena versammelten.«
    »Das klingt ja hochdramatisch«, stellte ich fest. Ich war immer noch verblüfft über ihre freundliche Art, aber vielleicht betrachtete sie es als ihre Pflicht, Fremde über Siena aufzuklären.
    »Oh!« Eva Maria verdrehte die Augen. »Es handelt sich dabei um das größte Drama unseres Lebens. Monatelang können

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