Julia
wahr?« Sie stupste mich verschwörerisch mit dem Ellbogen an. »Das neue Modell.«
»Ach, wirklich?«, gab ich höflich zurück, obwohl ich nicht ganz verstand, was sie meinte. Für Autos hatte ich mich noch nie begeistert - was vor allem daran lag, dass meistens ein Mann damit einherging. Zweifellos hätte mir Janice genau sagen können, wie der fragliche Wagen hieß und um welches Modell es sich dabei handelte, und dass es ganz oben auf ihrer Liste stehe, mit dem Besitzer eines solchen Wagens ein Schäferstündchen zu halten, während er an einem Aussichtspunkt irgendwo an der Amalfi-Küste parkte.
Eva Maria schien mein Mangel an Enthusiasmus wenig zu stören. Sie zog mich noch näher zu sich heran und flüsterte mir ins Ohr: »Sagen Sie nichts, es soll eine Überraschung werden! Oh, was für ein Anblick ... sieht er nicht gut aus?« Sie kicherte fröhlich und steuerte dann gemeinsam mit mir auf den Mann zu, der gerade aus der Limousine ausstieg. »Wenn ich zehn Jahre jünger wäre ... Ciao, Sandro!«
Der Mann umrundete den Wagen, um uns zu begrüßen. »Ciao, Madrina!« Er küsste seine Patin auf beide Wangen. Dass sie ihm dabei mit einer Hand bewundernd durch sein dunkles Haar fuhr, schien ihn nicht zu stören. »Bentornata. «
Eva Maria hatte recht. Ihr Patensohn sah nicht nur unverschämt gut aus, sondern war auch noch umwerfend gekleidet. Obwohl ich im Hinblick auf weibliches Verhalten nicht gerade eine Expertin war, vermutete ich, dass es ihm nie an willigen weiblichen Opfern fehlte.
»Alessandro. Ich möchte dir jemanden vorstellen.« Eva Maria fiel es schwer, ihre Aufregung zu zügeln. »Das ist meine neue Freundin. Wir haben uns im Flugzeug kennengelernt. Sie heißt Giulietta Tolomei. Kannst du dir das vorstellen?«
Alessandro wandte sich mir zu. Seine Augen hatten die Farbe von getrocknetem Rosmarin. Für Janice wären diese Augen allein Grund genug gewesen, nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet Rumba durchs ganze Haus zu tanzen und schmachtend in ein Haarbürsten-Mikrophon zu singen.
»Ciao!«, begrüßte ich ihn. Ich fragte mich, ob er mir ebenfalls einen Kuss geben würde.
Das tat er nicht. Nach einem Blick auf meine Zöpfe, meine weiten Shorts und meine Flip-Flops rang er sich schließlich zu einem Lächeln durch und sagte etwas auf Italienisch, das ich nicht verstand.
»Es tut mir leid«, antwortete ich, »aber ich spreche kein ...«
Als er begriff, dass ich nicht nur in dieser unattraktiven Aufmachung herumlief, sondern darüber hinaus auch noch unfähig war, Italienisch zu sprechen, verlor Eva Marias Patensohn jedes Interesse an meiner Person. Statt zu übersetzen, was er gesagt hatte, fragte er bloß: »Kein Gepäck?«
»Tonnenweise. Aber wie es aussieht, ist alles in Verona gelandet.« Wenige Momente später saß ich neben Eva Maria auf dem Rücksitz seines Wagens und bewegte mich zügig durch die Pracht von Florenz. Nachdem ich mir eingeredet hatte, dass Alessandros düsteres Schweigen nur auf mangelnde Englischkenntnisse zurückzuführen war - warum machte ich mir deswegen überhaupt Gedanken? -, spürte ich, wie ein Gefühl der Aufregung in mir hochblubberte. Ich war in das Land zurückgekehrt, das mich in der Vergangenheit zweimal hinausgeworfen hatte, und infiltrierte gerade erfolgreich die angesagte Klasse. Ich konnte es kaum erwarten, Umberto anzurufen und ihm davon zu erzählen.
»Hören Sie zu, Giulietta«, sagte Eva Maria, während sie sich entspannt zurücklehnte, »an Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig und würde nicht ... allzu vielen Leuten erzählen, wer Sie sind.«
»Ich?« Beinahe wäre ich herausgeplatzt. »Aber ich bin ein Niemand!«
»Ein Niemand? Sie sind eine Tolomei!«
»Sie haben mir doch vorhin erzählt, dass die Tolomeis vor langer Zeit hier lebten.«
Eva Maria berührte mit dem Zeigefinger meine Nase. »Unterschätzen Sie nicht die Macht von Ereignissen, die sich vor langer Zeit ereignet haben. Das ist ein tragischer Fehler des modernen Menschen. Da Sie gerade erst aus der Neuen Welt eingetroffen sind, möchte ich Ihnen Folgendes raten: Hören Sie viel zu, und sprechen Sie wenig. Hier an diesem Ort wurde Ihre Seele geboren. Glauben Sie mir, Giulietta, Sie werden hier auf Leute treffen, für die Sie durchaus jemand sind.«
Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und stellte fest, dass Alessandro mich mit zusammengekniffenen Augen musterte. Englischkenntnisse hin oder her, jedenfalls war offensichtlich, dass er die Faszination, die seine Patentante für
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